Trotz des Kraft-Akts: Hertha hakt Rang 15 ab

Leverkusen (dpa) - Das 3:3 zwischen Leverkusen und Hertha war zunächst völlig langweilig. Dann aber wurde es hochdramatisch. Bayer führte bereits 2:0, ehe die abstiegsbedrohten Berliner in Unterzahl sogar vorlegten, sich aber am Ende doch mit dem Remis begnügen mussten.

Es war ein doppelter Kraft-Akt, mit dem sich Hertha BSC gegen den erneuten Abstieg stemmte. Zunächst wehrte Torhüter Thomas Kraft mit einem tollen Reflex einen Elfmeter ab, dann betätigte er sich mit größtmöglicher Energie als Top-Motivator und schubste Tunay Torun ins doppelte Tore-Glück. „Das war doch gut. Er wollte ihn wachrütteln“, schilderte Trainer-Altmeister Otto Rehhagel die wohl entscheidende Szene beim denkwürdig-verrückten 3:3.

20 Minuten vor Schluss konnte Kraft es nicht mehr mit ansehen. Über 30 Meter rannte er zu seinem eingewechselten Mitspieler Torun, stieß ihn, forderte ihn auf, endlich seinen Job zu machen. „Ich wusste erst gar nicht, was da los war, als Thomas auf mich zukam. Aber es ist okay“, erinnerte sich Torun. Perfekter Effekt: Mit seinem ersten Bundesliga-„Doppelpack“ (71./77. Minute) machte es der türkische Fußballprofi möglich, dass die Hertha im Kampf um den Klassenverbleib noch nicht aller Chancen beraubt ist.

Kraft war dennoch angefressen, weil seine Kollegen vor 29 704 Zuschauern in der BayArena in Lethargie verfallen waren. „Am Anfang war es absolut unbegreiflich. Wenn man 0:2 hintenliegen muss, die Rote Karte kriegen muss, um dann wach zu werden“ - der Hertha-Schlussmann fühlte sich gegen Bayer im Stich gelassen.

Aber sie rafften sich auf, trotz des klaren Rückstands durch André Schürrle und Stefan Kießling (44./51. Minute), trotz des Platzverweises gegen Linksverteidiger Lewan Kobiaschwili (65.), trotz des Elfmeters, den Schiedsrichter Michael Weiner wegen einer „Notbremse“ des Georgiers an Bayer-Angreifer Eren Derdiyok verhängte. „Den Elfer kann man geben, die Rote Karte ist ein Witz“, erregte sich Kobiaschwili später.

Leverkusens Spielführer Simon Rolfes trat an, schoss - und Kraft riss sein Team mit, als er den Ball gegen das Aluminium lenkte und die Hertha nach Pierre-Michel Lasoggas Anschlusstreffer zum 1:2 (63.) in der Partie hielt. Was dann passierte, bezeichnete Berlins Innenverteidiger Peter Niemeyer als „verrückt“: Die Rehhagel-Elf kippte die Begegnung, führte 3:2, stand nach Kießlings zweitem Treffer (84.) aber dennoch fast als Verlierer da.

Die Ernüchterung war groß. „Wir brauchen uns nichts vorzumachen: Es geht nur noch um die Relegation - so bitter das nach so einem Spiel auch ist“, sagte Hertha-Defensivmann Christian Lell. Sein einziges Ziel: in den letzten drei Begegnungen zuhause gegen Kaiserslautern, auf Schalke und zum Saisonende noch einmal im eigenen Stadion gegen Hoffenheim den 1. FC Köln abzufangen und wenigstens noch die „Endspiele“ gegen den Zweitliga-Dritten zu erreichen.

Bei Bayer war ebenfalls Verärgerung spürbar. „Das sind zwei verlorene Punkte“, kommentierte Rolfes das 3:3, mit dem die Werkself auch im dritten Spiel der neuen Verantwortlichen Sascha Lewandowski und Sami Hyypiä ungeschlagen blieb. Die Europa-League-Qualifikation ist weiter machbar, Lewandowski indes war unzufrieden mit dem Remis: „Mit einem Sieg hätten wir einen Riesenschritt in die richtige Richtung gemacht. Jetzt ist es nur eine ordentliche Woche, aber beim besten Willen keine gute oder sehr gute.“