Interview Warum Hoffenheims Trainer Nagelsmann Fußballerinnen schätzt

Hoffenheims Trainer Julian Nagelsmann über die Saisonvorbereitung, seinen Vertrag und den Frauenfußball.

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Windischgarsten/Österreich. Den freien Donnerstagnachmittag hat Julian Nagelsmann auf dem Mountainbike verbracht. Downhillfahren an der Wurzeralm, den Kopf frei bekommen. „Trainingslager sind für den Trainer brutal anstrengend“, sagt der Coach der TSG Hoffenheim während des Trainingsaufenthalts in Windischgarsten/Österreich.

Herr Nagelsmann, Sie werden am Sonntag 30 Jahre alt. Ändert das irgendetwas?

Julian Nagelsmann:
Ich war noch nie der große Geburtstagsfeierer. Es ist ja keine große Leistung, wenn man 30 wird. Es ist aber schon irgendwie ein Abschnitt. Die Zwei vorne dran, die hat noch etwas Jugendliches. Die Drei, die klingt etwas erwachsen. Ich verfalle deshalb jetzt aber nicht in eine tiefe Depression.

Wie weit ist denn Ihre Mannschaft schon?

Nagelsmann: Ich weiß nicht, ob es viele Teams gibt, die mit so viel Tempo und Belastung in der Vorbereitung zu Werke gehen. Bei unserer Mannschaft ist immer das Gaspedal durchgedrückt. Sie ist aktuell viel weiter als zur gleichen Zeit im Vorjahr. Das ist gut, aber leider auch keine Garantie dafür, dass es dann auch gleich läuft in den ersten Wochen.

Ist der Hoffenheimer Profikader in der Lage, in der Champions League zu bestehen?

Nagelsmann:
Ich habe noch nie mit diesem Kader in der Champions League gespielt. 80 Prozent der Teams sind in diesem Wettbewerb personell anders bestückt.

Der TSG-Kader ist größer als zuletzt. Droht da ein schwieriges Management angesichts von mehr unzufriedenen Spielern?

Nagelsmann:
Das wird sicher eine komplexe Sache. Aber wir haben auch viel mehr Spiele als vergangenes Jahr in der Hinrunde. Wir müssen Spielzeit verteilen. Wir werden die Belastung schon so steuern, dass nicht 14 Spieler alle Begegnungen machen. Hoffenheim spielt erstmals im Europapokal mit.

Haben Sie sich persönlich bei Trainerkollegen Rat geholt, die diese Dreifachbelastung schon erlebt haben?

Nagelsmann:
Ich werde vielleicht mal noch mit dem einen oder anderen Trainer telefonieren. Aber bei vielen Clubs, die erstmals im Europapokal dabei waren, ist es ja dann in der Saison in der Liga nicht so gut gelaufen. Also müsste man sich daher eigentlich Rat bei denen holen, die immer dabei sind. Aber mal ehrlich: Es macht sicher nicht viel Sinn, bei Carlo Ancelotti anzurufen. Der Kader der Bayern ist ein ganz anderer. Ich versuche, meine Ideen umzusetzen. Und wenn das nicht funktioniert, dann sitzt hier nächstes Jahr ein anderer (lacht).

Sie haben immer betont, die Saison 2017/18 auf jeden Fall noch bei der TSG Hoffenheim zu bleiben. Was bedeutet die Vertragsverlängerung bis 2021 für Sie über die Saison hinaus?

Nagelsmann:
Es ist ein wichtiges Zeichen für die Spieler. Sie haben die Sicherheit, dass ich nächstes Jahr und ein paar Jahre darüber hinaus noch in Hoffenheim bleibe. Deshalb habe ich verlängert. Damit wir eine ordentliche Kaderplanung machen können und die Neuzugänge nicht immer als erstes fragen: Wie lange bleiben Sie denn noch in Hoffenheim? Ich mache aber nicht den Fehler und sage: Ich bleibe fix bis zu dem oder dem Datum. Denn das kann sich immer auch schnell ändern — und ich weiß es einfach nicht. Denn es ist ein Geschäft bei dem beide Seiten entscheiden müssen — sowohl der Club, als auch ich.

Wie lautet denn das Hoffenheimer Saisonziel?

Nagelsmann:
Ich werde wieder keinen Tabellenplatz raushauen. Aber es gibt für mich trotzdem ein großes Ziel: Ich möchte die Wörter Doppelbelastung und Gefahr nicht hören. Das hätten wir uns dann nämlich in der Rückrunde anders überlegen müssen. Dann hätten wir sagen müssen: Wir haben keinen Bock auf die Doppelbelastung und verlieren die Spiele.

Haben Sie die Befürchtung, dass die Konkurrenz Ihre Taktik decodiert?

Nagelsmann:
Außer Bayern, Leipzig und dem HSV sind zuletzt alle gegen uns tief gestanden. Wir werden uns weiterentwickeln, aber natürlich können wir das Rad nicht neu erfinden. Ich werde es weiter so handhaben, dass wir kombinieren wollen. Lange Bälle, das gefällt mir nicht. Ich verbringe sehr viel Zeit mit dem Sport, da sollte mir schon gefallen, was wir machen.

Verfolgen Sie denn die deutschen Frauen derzeit bei der Europameisterschaft

Nagelsmann:
Ich schaue total gern zu, denn es ist ein viel ehrlicherer Sport als Männerfußball. Frauen heulen viel weniger rum. Die liegen nie am Boden, obwohl sie sich aus den Schuhen fransen. Da gibt es manchmal Grätschen, da denkst du dir: Im Männerfußball wäre das Dunkelrot. Im Frauenfußball gibt es da nicht einmal eine Gelbe Karte. Die stehen auf und spielen weiter. Schön ist auch: Die Nettospielzeit liegt bei 85 Minuten. Im Männerfußball hatte man bei Darmstadt-Spielen vielleicht zu Hochzeiten 51 Minuten Spielzeit, bei Ingolstadt nicht einmal ganz eine Halbzeit. Frauenfußball ist eine andere Welt, es ist ein anderer Sport. Du kannst dich als Trainer viel mehr auf Technik und Taktik konzentrieren. Die athletische Komponente ist viel unbedeutender als bei uns.