Bundesliga Warum Leverkusen gegen den neuen Tabellenführer der Bundesliga verlor.
Leverkusen. Es gehört zu den Eigenheiten von Rudi Völler, aus seinem Gefühlsleben kein Geheimnis machen zu können. Der Sportdirektor von Bayer 04 Leverkusen leidet mit seiner Mannschaft, als wäre er selbst noch aktiver Teil.
Dabei ist der 56-Jährige seit einer gefühlten Ewigkeit Teil der Bundesliga und könnte sich ein wenig mehr Gelassenheit durchaus leisten. Nach dem 2:3 gegen RB Leipzig wirkte Völler allerdings derart enttäuscht, als würde er eine schlaflose Nacht vor sich haben. Aus seinem Fazit, dass er bereits nach den ersten elf Spielen zog, sprach enorme Ernüchterung. „Das ist sicher unter unseren Möglichkeiten, die Hinrunde ist ein bisschen verkorkst“, sagte Völler.
Es ist ein wiederkehrendes Phänomen bei den Werkskickern, dass sie trotz ihres großen Talents nie konstant punkten — und Völler solche Statements auch in dieser Spielzeit wiederholen muss. Dabei ist das Problem System- und Taktikimmanent. Das von Trainer Roger Schmidt bevorzugte Dauerpressing birgt die Gefahr, bei nur geringer Zurücknahme des läuferischen Einsatzes auch nur weniger Spieler, dass dem Gegner zu viele Torchancen gewährt werden.
Denn das Risiko, dass Bayer 04 in der Balleroberung eingeht, muss das Team mit kollektivem Einsatz wieder eindämmen. Jonathan Tah brachte das auf den Punkt. „Wir lassen zu viel nach, wenn wir in Führung sind“, sagte der Verteidiger. Ironie des Freitags: Leverkusener traf auf einen Gegner, der ihnen vormachte, wie viel dauerhafte Leidenschaft und Einsatzwillen vonnöten sind, um zu nachhaltigem Erfolg zu kommen. „Das war das bisher schwerste Spiel in meiner jungen Karriere“, sagte Bayer-Offensivspieler Julian Brandt, der in Leipzig eine Kopie der Leverkusener Taktik sah — nur noch intensiver und radikaler vorgetragen.
Die Mannschaft von Trainer Ralph Hasenhüttl hatte sich weder von einer Farbbeutel-Attacke auf den Mannschaftsbus vor dem Stadion bei der Anreise noch von zwei Rückständen durch Kevin Kampl (2.) und Julian Brandt (45.) aus dem Konzept bringen lassen. Die schnelle Balleroberung und der stets darauf folgende Pass in die Tiefe sind in dieser Intensität nicht einmal von den Leverkusenern zu Beginn der Amtszeit Schmidts vorgetragen worden. Bei genauerem Hinsehen hatten die Leipziger ihre Gegenspieler so sehr unter Druck gesetzt, dass sie die Fehler der Leverkusener erzwangen. „Von der Mentalität her eine Wahnsinns-Vorstellung. Ich glaube schon, dass wir schwer zu schlagen sind“, sagte Hasenhüttl. Die Sachsen haben sich mit 27 Punkten an die Tabellenspitze gesetzt und führen die Bundesliga aufgrund ihrer unmissverständlichen Spielweise mittlerweile verdient an.
Die entscheidende Frage wird allerdings sein, wie lange die Leipziger auf ihrer Euphoriewelle weiter reiten und diese Kompromisslosigkeit und Leistungsbereitschaft manifestieren können. Denn irgendwann wird auch in Sachsen wie bereits seit längerer Zeit in Leverkusen geschehen, der schnöde Alltag einziehen.