Will keiner nach Europa? - Kandidaten schwächeln
Düsseldorf (dpa) - Selbstzweifel statt Selbstbewusstsein - die Aussicht auf die große europäische Bühne scheint die Bundesliga-Vereine in den vergangenen Wochen eher zu lähmen als zu beflügeln.
Der Wettlauf um die sportlich wie finanziell lukrativen Europapokal-Plätze hat sich zum Schneckenrennen entwickelt. Ein Vergleich der Leistungen von neun Bundesligisten, die im Kampf um die Champions League- und Europa-League-Plätze Chancen haben, fördert Überraschendes zutage.
Der FC Bayern München, der schon am Oster-Spieltag die Meisterschaft perfekt machen kann, sowie der wieder erstarkte Titelverteidiger Borussia Dortmund blieben in einer Analyse der Nachrichtenagentur dpa außen vor. Denn der BVB steuert klar Richtung Vizemeisterschaft. Für die Verfolger bleiben die Ränge drei (direkte Champions-League-Qualifikation), vier (Playoff zur Champions League), fünf und sechs (Europa League), je nach Ausgang des DFB-Pokals kann auch der siebte Platz genügen.
Realistisch betrachtet haben vom Dritten Bayer Leverkusen (45 Punkte) bis zum Elften 1. FC Nürnberg (34) noch neun Teams Europacup-Chancen. Abgesehen vom Hamburger SV und Schalke 04, die in den neun Rückrundenspielen einen leicht besseren Punkteschnitt einfuhren als in den 17 Hinrunden-Partien, konnte sich nur der „Club“ unter dem neuen Coach Michael Wiesinger deutlich steigern.
Nach der Hinrunde mit einem Punkteschnitt von 1,17 nur Tabellen-14., ließen die Franken als viertbestes Rückrundenteam (1,55 Punkte im Schnitt) die Abstiegszone weit hinter sich und können nun sogar von Europa träumen. Trotz sieben Spielen ohne Niederlage bleiben die Profis aber vorsichtig. „Wir machen uns wenig Gedanken um die Europa League“, sagte Mike Frantz.
Während die FCN-Formkurve deutlich nach oben weist, befinden sich andere Clubs 2013 im freien Fall. Allen voran die Überraschungself aus Frankfurt. Der Aufsteiger sammelte in den ersten 17 Saisonspielen im Schnitt fast 1,8 Punkte, zuletzt in neun Partien nur noch neun Zähler. Sechs Spiele ohne Sieg und nur ein Tor - die Leichtigkeit, mit der die Eintracht 2012 verzückte, ist völlig dahin. Ob die Unruhe um seine ungeklärte Zukunft die Elf belastet, weiß Trainer Armin Veh nicht, schließt es aber nicht aus: „Das ist eine Hypothese. Wir spielen ähnlich wie in der Vorrunde. Was uns im Moment fehlt, ist aus mir unerklärlichen Gründen das letzte Quäntchen Glück.“
Weihnachten auf Platz zwei (Schnitt 1,94), in der Rückrundenbilanz nur Achter (1,33) - Bayers Ergebniskrise mündet zwangsläufig in Diskussionen über das Gespann Sascha Lewandowski/Sami Hyypiä. Das hochgelobte Pilotprojekt mit zwei gleichberechtigten Trainern droht plötzlich zu scheitern. Obwohl ein Rückrunden-Absturz in Leverkusen kein neues Phänomen ist und Sportchef Rudi Völler festhielt: „Wir sind nicht umsonst Dritter, das haben wir den Beiden zu verdanken.“
In dieser Saison auf Europas Bühne vertreten waren auch Stuttgart und Hannover. Doch der VfB - nach der Hinrunde Neunter - ist nach dem Katastrophenstart ins neue Jahr aus dem Kandidatenkreis ausgeschieden. Und „96“ sieht wegen der fatalen Auswärtsschwäche (schlechtestes Bundesliga-Team) die Chancen schwinden. „Nur mit ganz viel Glück ist es möglich, auf die internationalen Plätze zu kommen“, räumte Mirko Slomka vom Tabellen-Zehnten im NDR-Fernsehen ein.
Sorgen bereitet auch die Entwicklung in Mainz und Freiburg. Dass die Rheinhessen als Sechster punktgleich mit Mönchengladbach und dem HSV noch auf einem Europa-League-Platz stehen, haben sie weniger der eigenen Stärke als den ebenfalls schwächelnden Verfolgern zu verdanken. Freiburg schmierte nach den deftigen Pleiten gegen Wolfsburg und Dortmund mit je fünf Gegentoren von Platz fünf auf neun ab. Trainer Christian Streich prangerte nicht nur die Unruhe im Umfeld („Viehmarkt“), sondern auch die übertriebenen Erwartungen an.
Im Gegensatz dazu machen Schalke (Heldt: „Wir wollen mindestens Vierter werden“), Hamburg und Gladbach aus ihren Zielen keinen Hehl. Obwohl auch dort der Druck die Beine zum Teil schwer macht, konnte das Trio einigermaßen das Vorrunden-Niveau halten. Mehr aber auch nicht. „Wenn wir ausgeben, um Platz neun oder zehn zu spielen, kann ich jetzt buchen und in den Urlaub fahren“, schimpfte HSV-Keeper Rene Adler nach dem 0:1 gegen Augsburg.
Wieder in Schlagdistanz ist Mönchengladbach. Und so träumt Sportdirektor Max Eberl von der erneuten Teilnahme am internationalen Geschäft. „Wenn du einmal in Europa warst und diesen süßen Nektar geleckt hast, dann willst du weiter daran lecken.“