„Alles ist vorbei“: Wut und Schmerz bei Bayern

München (dpa) - Wut, Frust, Leere - nach dem bitteren Champions-League-K.o. herrschte beim FC Bayern fassungsloses Entsetzen über die eigene „Dummheit“.

Die selbstverschuldete 2:3 (2:1)-Heimniederlage gegen Inter Mailand war ein Spiegelbild einer Saison, die nach der letzten verspielten Titelchance in Trümmern liegt. Thomas Müller entlud seine Enttäuschung auf dem Platz in Schreikrämpfen, Bastian Schweinsteiger ging wutentbrannt auf Inter-Provokateur Marco Materazzi los. Der Ärger entlud sich aber auch in gegenseitigen Schuldzuweisungen. „Alle sind enttäuscht, alle sind sauer, alle sind böse“, erklärte Arjen Robben nach dem Achtelfinal-K.o.

„Es ist unfassbar, dass wir gegen Inter Mailand ausscheiden“, klagte Schweinsteiger nach der fahrlässig vergebenen Revanche gegen den Titelverteidiger. Der Fußball-Nationalspieler sprach offen die „taktischen“ Mängel an, besonders die fehlende Balance zwischen Abwehr und Angriff: „Man muss zusammen offensiv und auch defensiv denken, sonst wird man nicht Champions-League-Sieger.“ Und auch nicht deutscher Meister und DFB-Pokalsieger wie noch vor einem Jahr. „Es ist schwierig, die Mannschaft jetzt zu motivieren. Bei uns geht es eigentlich immer bis zum Saisonende um Titel, jetzt geht es 'nur' noch um die Champions-League-Qualifikation“, sagte Kapitän Philipp Lahm einen Tag nach der Pleite.

„Du machst hinten einen blöden Fehler - und alles ist vorbei“, haderte Torjäger Mario Gomez, „es ist die Dummheit von uns.“ Der Sündenbock war am Ende Innenverteidiger Breno, der das Siegtor von Goran Pandev (88. Minute) tölpelhaft verschuldete. Das war „ein Stich ins bayerische Herz“, stöhnte Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge.

„Es passt irgendwie leider in die Saison“, sagte Schweinsteiger über den Keulenschlag. Tatsächlich waren die 90 Minuten ein Spiegelbild einer Pannen-Spielzeit mit wenigen Höhepunkten. Offensiv können sich die Bayern in einen Rausch spielen, wie nach dem Rückstand durch Samuel Eto'o (3.). Die vollbesetzte Arena kochte beim Sturmlauf der Turbo-Dribbler Robben und Ribéry, der sich aber nur in den Toren von Gomez (21.) und Müller (31.) auszahlte. Die Chancenverwertung stimmte wieder nicht. „Wir haben grandiose erste 60 Minuten gespielt. Wir hätten schon 4:1 führen müssen“, sagte Gomez wie fast alle. „Danach wird man bestraft.“

Hinten sind die Offensiv-Bayern des Louis van Gaal morsch. Nach Wesley Sneijders 2:2-Treffer (63.) wankten die Münchner - und fielen kurz vor Schluss. Nicht Champions-League-reif sei die Abwehr, schimpfte Robben: „Das ist Konzentration, das sind individuelle Fehler. Es kann nicht sein, dass wir zu Hause drei Tore kriegen gegen eine Mannschaft, die nicht für schönen Fußball bekannt ist.“

Van Gaal sprach von einem „Identitätsproblem“ seiner Mannschaft. „Wir wollen zu viel und machen ein Spiel nicht fertig. Wir haben das selbst verursacht - und es ist nicht das erste Mal. Da ist soviel Schmerz“, sagte der scheidende Trainer: „Wir können nicht sagen, dass Inter Mailand besser war - und trotzdem sind wir raus.“

Auch weil er ein Trainer ist, „der sehr angreifend spielen will“, und darüber die Defensive vernachlässigt - im Training und im Spiel. Ein Ergebnis zu verwalten, das hat van Gaals Team nicht gelehrt. Das Qualitätsmanko im Abwehrzentrum hat er nicht mit Neueinkäufen behoben, stattdessen mit ständig wechselnden Pärchen ein fatales Chaos ausgelöst - diesmal kam Breno rein und patzte entscheidend.

Darum handeln die Bayern-Bosse: Wunschkandidat Jupp Heynckes soll als Trainer kommen, unbedingt auch Nationaltorhüter Manuel Neuer vom FC Schalke 04. Dazu wird der Bundesliga-Krösus Millionen in neue Abwehrspieler investieren müssen. „Das ist nicht der FC Bayern“, urteilte der ehemalige Trainer Ottmar Hitzfeld als „Sky“-Experte.

Noch-Trainer van Gaal kann nun nicht mehr - wie erträumt - als Champions-League-Sieger „durch das große Tor“ die Bayern verlassen. Er darf immerhin weitermachen bis Saisonende. „Ja, sicher bleibt er im Amt“, versicherte Rummenigge. Aber der Holländer muss retten, was eigentlich nicht mehr zu retten ist. „Die Saison ist nicht mehr gut“, erklärte Robben - zwei Monate vor dem Bundesliga-Finale.

Es geht nur noch um Schadensbegrenzung. Man müsse „zumindest noch das erreichen, was wir brauchen: Die Qualifikation für die Champions League“, befahl Rummenigge dem Trainer und den Profis. Platz zwei oder drei - das ist der letzte Auftrag für Robben, Ribéry & Co., deren Anspruch Titel und Königsklassen-Duelle mit dem FC Barcelona, Real Madrid oder Manchester United sind. Bis zum Auswärtsspiel beim SC Freiburg muss van Gaal das Team wieder aufrichten. „Es ist nicht leicht nach so einem Nackenschlag. Aber wir müssen in Freiburg gewinnen“, sagte Lahm.

Es soll nicht eintreten, was beim Rekordmeister nicht sein darf: „Das Champions-League-Finale nächste Saison im eigenen Stadion ohne den FC Bayern, der dann in der Europa League spielt - das wollen wir unseren Fans nicht antun“, sagte Gomez. Der Alptraum droht!