„Jeder liebt solche Spiele“ Alptraum oder Traum-Comeback: Ancelotti hofft auf Trio
Madrid (dpa) - Der FC Bayern ist bereit für eine magische Nacht. Mit einer atemberaubenden Aufholjagd bei Real Madrid will das Starensemble um Hoffnungsträger Robert Lewandowski nach dem schmerzhaften 1:2 im Hinspiel trotz großer Abwehrnot doch noch in das Halbfinale der Champions League stürmen.
Lewandowski verkörperte ebenso wie die angeschlagen mitgereisten Mats Hummels und Jérôme Boateng die ganze Entschlossenheit, als die drei im leeren Fußball-Tempel Bernabeu zum Abschlusstraining auf dem Rasen trabten. „Alle haben noch Chancen, zu spielen“, sagte Trainer Carlo Ancelotti in der spanischen Hauptstadt. Dennoch müssen die Münchner weiter auf ein kleines Wunder hoffen, denn erst am Spieltag wird über den Einsatz der Weltmeister-Verteidigung entschieden.
Am besten sieht es demnach bei Torjäger Lewandowski aus. „Er hat ohne Probleme trainiert“, sagte Ancelotti. Bei Boateng und Hummels müsse man bis zum Dienstag (20.45 Uhr) schauen. Als eine Option für die Abwehr nannte der Bayern-Trainer Joshua Kimmich, als weiterer Kandidat gilt David Alaba.
„Bayern München ist ein bisschen berühmt-berüchtigt dafür, dass man in solche Spiele mit einem außergewöhnlich großen Willen reingeht“, erklärte Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge vor einem erhofften Auftritt der Superlative. „Jeder liebt solche Spiele“, ergänzte Kapitän Philipp Lahm. „Wir müssen ein fantastisches Spiel absolvieren“, forderte Ancelotti.
Mit einer Chancenverwertung wie beim 0:0 in Leverkusen ist das Weiterkommen gegen den Titelverteidiger aber Utopie. „Wir brauchen die Tore. Wir müssen so denken, als würden wir in München spielen“, forderte Real-Schreck Lewandowski, der in einer Halbfinal-Partie mit Dortmund schon viermal gegen Real traf.
Beim Showdown gegen Cristiano Ronaldo & Co. müsste ohne Boateng und Hummels ein Miniriegel ohne gelernten Innenverteidiger herhalten. „Egal, wer spielt, er wird sich voll reinknallen“, sagte Präsident Uli Hoeneß. „Es wird ein großes Spiel“, prophezeite Ancelotti bei seiner Rückkehr ins sommerliche Madrid. „Es wird ein schwieriges Spiel, von der ersten bis zur letzten Minute“, warnte Real-Coach Zinedine Zidane, der auf Gareth Bale verzichten muss.
Ein Traum-Comeback ist das ambitionierte Vorhaben, wahrscheinlicher ist ein neuer Alptraum in Spanien. Nach drei Halbfinal-Pleiten gegen die Spitzenteams von der iberischen Halbinsel könnte nun im Bernabéu für die Bayern so früh wie zuletzt beim Achtelfinal-Aus 2011 gegen Inter Mailand Endstation sein. „Wir brauchen kein Fußballwunder, wir brauchen eine Topleistung“, sagte Thomas Müller.
Ein Königsklassen-Kunststück ist dafür notwendig. Nur Ajax Amsterdam (1996) und Inter Mailand (2011) kamen nach einer Heimniederlage auswärts noch weiter. „Egal, wer spielen kann oder nicht: Wir werden eine Mannschaft haben, die gegen Real gewinnen kann“, sagte Lahm bei seiner vielleicht letzten Europapokalreise. Dabei ist die Krönung des Anführers der Wembley-Helden am 3. Juni im Finale in Cardiff das Ziel. Ähnliches gilt für Xabi Alonso, der sich auf eine „Supermannschaft“ als Gegner freut: „Wir sind bereit, die besten Bayern zu zeigen.“
In Madrids Fußball-Tempel, in dem die Münchner das Endspiel 2010 verloren, feierten die Bayern schon große Siege. Ein 4:2 wie im Februar 2000 würde das Halbfinale bringen, ein 1:0 wie ein gutes Jahr später vor dem ersten Champions-League-Triumph wäre allerdings zu wenig. „Wir glauben daran, dass wir es packen“, betonte Hinspiel-Retter Manuel Neuer.
Allein Neuers Glanzparaden reichen sicher nicht, denn die bei ihren letzten vier Gast-Auftritten bei Atlético, Barcelona und Real torlosen Münchner müssen mindestens zweimal treffen. Großer Trumpf: Lewandowski. „Er ist ein Killer vor dem Tor“, sagte Neuer.
Lewandowski traf in seinen vergangenen neun Champions-League-Spielen achtmal. So groß die Hoffnung in Supertorjäger Lewandowski auch ist: Hinten müsste ohne Blitzgenesung die Notabwehr aus vier Männern ohne Verteidiger-Gardemaß halten. Lahm (1,70 Meter), Kimmich (1,76), Alaba (1,80) und Bernat (1,70) mussten schonmal in einem Gigantenduell ran: 2016 beim 2:2 in Turin, als sie in der Schlussphase Probleme offenbarten. „Wir brauchen Mut und den Glauben an uns selbst“, sagte Alaba.
Die zuletzt gezähmte „Bestia negra“, wie die Münchner wegen ihrer Erfolge gegen Real genannt werden, soll wieder neuen Schrecken verbreiten. Oder der Münchner Frühjahrsfluch geht weiter.