„Ballnächte“ für Pessimist Guardiola
München (dpa) - Bayern Münchens Trainer Pep Guardiola ist ein Pessimist - und das findet er auch gut so.
„Wenn du Optimist bist, bist du ruhig. Ein Trainer aber kann nie ruhig sein. Und bis jetzt war es in meiner Karriere nicht schlecht, Pessimist zu sein“, schilderte der 44 Jahre alte Katalane auch mit dem Blick auf seine beachtliche Titelsammlung als Fußball-Trainer. Zweimal Champions-League-Sieger, sogar dreimal Club-Weltmeister, dazu deutscher und spanischer Meister - Respekt!
„Ich habe immer Angst, ich bin immer besorgt vor einem Spiel“, gestand Guardiola kürzlich. Vor dem Achtelfinal-Rückspiel des FC Bayern München in der Königsklasse am Mittwoch gegen Schachtjor Donezk dürfte dieser Zustand noch intensiver sein als bei gewöhnlichen Partien. Es geht um das höchste Saisonziel. Ein Ausscheiden in der ersten K.o.-Runde würde den erfolgsverwöhnten deutschen Topclub gehörig durchschütteln.
Guardiola weiß, dass die Champions League das Richtmaß ist, für das sündteure Münchner Starensemble und besonders auch für ihn selbst in seinem vorerst verabredeten Dreijahresplan beim Rekordmeister. Ein wenig Flunkern gehört darum zum Fußball-Geschäft, das weiß auch Guardiola: „Es tut mir leid, aber für mich ist der wichtigste Titel die Bundesliga“, behauptet er immer und immer wieder in der gerade angebrochenen Phase der großen Spiele um alles oder nichts.
Meisterschaft, DFB-Pokal, alles schön und gut. Aber von einem Trainer-Genie, das mit dem FC Barcelona 2009 und 2011 zweimal die Champions League gewinnen konnte und mit seinem Tiki-Taka-Stil den Fußball in Europa prägte, wird Größeres erwartet. Guardiola spürt den Druck, den er sich auch selbst auferlegt. „Es ist eine große Aufgabe für mich, das Niveau von Jupp Heynckes zu halten“, bekannte er. Das historische Triple, das Trainer-Rentner Heynckes 2013 mit der Generation Lahm erobern konnte, lastet bisweilen wie Blei auf Guardiolas schmalen Schultern.
Wie das Trauma gegen Real Madrid, besonders jenes 0:4 im eigenen Stadion im Halbfinal-Rückspiel vor einem Jahr. Seit Saisonbeginn weist Guardiola regelmäßig auf diesen Tiefschlag hin, wenn er eine stetige Weiterentwicklung der Münchner Spielweise einfordert. Das soll, das darf ihm nicht noch einmal passieren. Mehr Fokussierung auf den Gegner, weniger bayerisches „Mia san mia“, vor allem die große Angst vor Kontern, haben auch mit der Enttäuschung 2014 zu tun.
Guardiola ist ein Tüftler, ein Grübler, ein Zweifler. Nur selten gibt er Einblick in sein Seelenleben. „Ich bin immer müde. Es sind viele Dinge in meinem Kopf“, erzählte er zuletzt. Seine Arbeitsweise sei sehr intensiv, bemerkte Kapitän Philipp Lahm im „Kicker“ (Montag). Beim FC Barcelona brauchte er 2012 nach vier Jahren eine Auszeit.
Karl-Heinz Rummenigge sieht Guardiola nicht von Burnout bedroht. Und die Champions League sei für den von ihm verehrten Trainer „wie eine Ballnacht.“ Das Real-Debakel 2014 war darum auch ein Alptraum, der nachwirkt. „Wir wissen, was wir tun müssen“, sagte Guardiola nach dem 3:1 in Hannover, bevor er sich in ein „schönes Wochenende vor dem Finale gegen Donezk“ verabschiedete.
Den Bundesliga-Titel können die Bayern (ein)planen. Den Triumph in der Königsklasse nicht, zumindest nicht Jahr für Jahr. Im Zeitraum des Dreijahresvertrages (bis 2016) von Guardiola müsste ein großer Wurf jedoch gelingen, zumal sich der Zyklus der aktuellen, goldenen Bayern-Generation dem Ende zuneigt. Club-Ikonen wie Philipp Lahm (31) und Bastian Schweinsteiger (30), der schon 33-jährige Xabi Alonso (33) oder die einzigartigen Ausnahmekönner Franck Ribéry (31) und Arjen Robben (31) zählen bereits zur stetig wachsenden Ü30-Fraktion. Sie stehen im Leistungszenit, den Abwehrmann Dante (31) aus Sicht seines Trainers anscheinend schon überschritten hat.
Noch stimme die Altersstruktur des Kaders, sagte Sportvorstand Matthias Sammer, der daraus Anfang des Jahres schlussfolgerte: „Der Mix der Mannschaft ist außergewöhnlich und muss meiner Meinung nach noch einmal zum Gewinn der Champions League führen, ob in diesem oder im nächsten Jahr.“ Sammer ist eben kein Pessimist.