Bayern-Anführer gieren nach der Krönung
München (dpa) - Große Spieler stehen nach Niederlagen wieder auf. Und Champions für die Ewigkeit werden in großen Endspielen geboren. Nach dem Pokal-Desaster gegen Dortmund wird für Philipp Lahm und Bastian Schweinsteiger das „Finale dahoam“ gegen den FC Chelsea zu einer speziellen Bewährungsprobe:
Es geht für die aktuellen Anführer des FC Bayern darum, elf Jahre nach Stefan Effenberg und Oliver Kahn in die Fußstapfen der ersten Münchner Champions-League-Sieger zu treten und die eigene Karriere endlich mit einer unvergesslichen Heldentat zu krönen.
„Wenn man eine goldene Generation werden will, gehört ein internationaler Titel dazu“, bestätigte Lahm ohne Umschweife. Im heimischen Stadion möchte der Bayern-Kapitän am Samstagabend den wertvollsten Pokal im europäischen Vereinsfußball entgegennehmen - ein Moment für die Ewigkeit. „Wenn man im Finale steht, will man den Pokal hochheben. Und schön ist es natürlich, wenn man ihn als erstes hochheben darf“, äußerte der Abwehrspieler über seinen Traum.
Lahm und Schweinsteiger - gemeinsam jagen die so verschiedenen Führungskräfte mit dem FC Bayern und der Nationalmannschaft seit Jahren vergeblich dem internationalen Triumph hinterher. „Es gibt auch große Spieler, die keinen großen Titel gewonnen haben“, sinnierte Schweinsteiger und dachte dabei sicherlich auch an seinen langjährigen Teamkollegen Michael Ballack, den Unvollendeten.
Joachim Löw weiß als langjähriger Begleiter seiner aktuellen DFB-Kapitäne, wie sehr sich Lahm (28) und Schweinsteiger (27) den Gewinn der Champions League und einen EM-Triumph im Sommer wünschen. „Die Spieler sehnen sich nach einem großen internationalen Erfolg“, erklärte der Bundestrainer. Die 2:5-Abreibung gegen Dortmund werde sie noch zusätzlich anstacheln, glaubt der Nationalcoach: „Sie werden zwei, drei Tage brauchen, bis sie so einen Frust weggesteckt haben. Aber jetzt haben sie noch das allergrößte Ziel vor Augen, die Champions League zu gewinnen, die Besten in Europa zu sein.“
Es gilt, eine schwarze Serie zu beenden. 2006 wurden die noch blutjungen Lahm und Schweinsteiger beim deutschen WM-Sommermärchen kurz vor dem großen Ziel im Halbfinale von Italien gestoppt (0:2 n.V). Zwei Jahre später verloren sie ihr erstes großes Endspiel bei der Europameisterschaft in Wien gegen Spanien (0:1). 2010 endete mit doppeltem Frust: Erst gab es die 0:2-Niederlage mit den Bayern im Königsklassen-Endspiel gegen Inter Mailand, dann war in Südafrika im WM-Halbfinale einmal mehr Spanien beim 0:1 die Endstation.
Wieder sind zwei Jahre vergangen - und die Zeit droht den beiden Endzwanzigern langsam davonzulaufen. „Allzu lange habe ich nicht mehr auf meinem allerhöchsten Niveau“, bemerkte Lahm. Nationale Titel sind auf Dauer kein Ersatz. „Für mich persönlich hat die Champions League einen sehr hohen Stellenwert, genauso wie der Europameister- oder der Weltmeistertitel“, erklärte Schweinsteiger und gestand: „Das hat ein Stück weit mehr Bedeutung als Meisterschaft und Pokal.“
Seit klar war, dass das Königsklassen-Endspiel 2012 in München stattfinden würde, entwickelte sich das Ziel zu einer Obsession. In der Champions League wuchsen Lahm, Schweinsteiger, Ribéry, Robben, Gomez oder Neuer auch mal über sich hinaus, zeigten jene Gier, die sie im Bundesliga-Alltag zu häufig vermissen ließen. „Wenn du das Finale in deinem Wohnzimmer hast, willst du es natürlich erreichen und jetzt auch gewinnen. Es gibt keinen besseren Tag als den 19. Mai“, sagte Schweinsteiger mit leuchtenden Augen.
Am 26. Mai 1999 verlor die damalige Bayern-Truppe um die Bosse Effenberg und Kahn in Barcelona auf dramatische Weise das Endspiel gegen Manchester United mit 1:2. Anschließend ruhten Kahn & Co. nicht, bis sie am 23. Mai 2001 in Mailand den „Henkelpott“ endlich in ihren Händen hielten; nach einem packenden Sieg im Elfmeterschießen gegen den FC Valencia. Auch bei Lahm hat sich sein erstes verlorenes Endspiel am 22. Mai 2010 in Madrid gegen Inter Mailand ins Hirn gebrannt. „Das Einschlafen war schlecht, das Aufwachen noch schlechter“, bemerkte der Außenverteidiger rückblickend.
1999 und 2001, 2010 und 2012 - Geschichte soll sich wiederholen. „Wir haben viele im Team, die schon damals dabei waren“, betonte Kapitän Lahm: „Wir haben uns weiterentwickelt, wir haben jetzt viel mehr Erfahrung. Der Glaube daran, dass man diesen Titel gewinnen kann, ist größer als vor zwei Jahren!“ Der 19. Mai 2012 soll für Schweinsteiger und ihn zu einem Tag der Erlösung werden.