Bayern München Ein Champions League Halbfinale wie bei Rocky und AC/DC
Nach einem epischen Spiel gegen Real Madrid sinniert der FC Bayern darüber, warum so viele entscheidende Momente so unglücklich ausgegangen sind.
Madrid. Als hätte der Stadion-DJ beschwören wollen, was da folgen sollte, schickte er vor dem Champions League-Halbfinale die Rock-Klassiker durch die Arena-Boxen. Van Halen, AC/DC, Guns n’ Roses. Musik aus einer Zeit, in der Rocky und sein Gegner sich kinobreitwändig die Visagen zurecht schlugen. Keine Girlanden — immer schön drauf.
Und so taten es der FC Bayern und Real Madrid in einem fast epischen Halbfinale. Am Ende gingen die Münchner auf die Bretter. Es wird ein Rätsel bleiben, wie Thomas Müller schon kurz nach der Partie zu einer passenden Analyse fähig war. „Madrid hat extreme Probleme in den Halbräumen. Wir waren nach der Führung zu passiv. Wir waren klarer als in München. Wie im Hinspiel haben wir ein Tor weggeschenkt.“
Alles richtig. Und doch kann eine sachliche Auseinandersetzung dieses Spiel nur in Teilen beschreiben. Nicht die Taktik ließ Sven Ulreich patzen. Auch war es nicht der Plan, dass Niklas Süle am rechten Flügel auftaucht, um das 2:2 durch James vorzubereiten. Das Spiel trieb irre Volten. Wann immer sich eine Mannschaft eines Vorteils sicher sein konnte, schlug die andere zurück. Man habe „viel leiden müssen“, sagte Zinédine Zidane. So viel wie noch nie? „Ja.“ So aber sei es am schönsten, ins Finale zu kommen. Wenn alle alles investieren müssen.
Die Bayern fühlten sich um den Lohn gebracht. „Wir waren überlegen, wir waren besser und wir hatten Chancen ohne Ende“, sagte Mats Hummels, der im Verbund mit dem sagenhaft präsenten Süle, dem viele prophezeien, mit einem möglichen Ausfall von Jerome Boateng bei der WM zum Star mutieren zu können, ausgezeichnet verteidigte. Die Gegentreffer entstanden an anderer Stelle. Vor dem ersten ließ Joshua Kimmich Marcelo flanken und David Alaba streckte vor dem Kopfballduell mit Karim Benzema die Waffen. Nummer zwei? Tolisso, Ulreich — der tragische Rest steht im nebenstehenden Text.
Während also Madrid vergleichsweise simpel zum Erfolg kam, mussten sich die Münchner alles hart erarbeiten. Auch das sei ein Grund, dass Robert Lewandowski ohne Torerfolg blieb, so Heynckes. Er arbeitete zu viel, da leidet die Konzentration vor dem Tor. Heynckes hielt noch im Estadio Santiago Bernabéu eine bewegende Kabinenansprache, wie Anwesende berichteten.
Zur Analyse gehört, dass alles um eine weitere Wendung reicher gewesen wäre, wenn Schiedsrichter Cüneyt Cakir den Bayern einen berechtigten Hand-Elfmeter zugesprochen hätte. Natürlich sei das ein Elfmeter, sagte Heynckes. „Aber wir müssen klar sehen, dass wir Geschenke verteilt haben. Dann müssen wir nicht über den Schiedsrichter reden.“
Also redeten die Bayern über sich selbst. Dass man sich die Frage stellen müsse, warum so wichtige Spiele so oft ein unglückliches Ende für sie nähmen, sinnierte Müller. Wenn schon die „beste Leistung der vergangenen Jahre“ (Heynckes) nicht reicht, werden die Gedanken düster. Das Gute im Sport ist: Die vergangene Chance ist meist nicht die letzte. Man muss nur wach bleiben. Passend: Um 5 Uhr riss die Bayern am Morgen in Madrid ein Feueralarm aus dem Bett.