Königsklasse Bayern wollen nun alles: „Wir sind gierig“

München (dpa) - Ein geschaffter Uli Hoeneß äußerte auf die Frage des Abends nach seinem Wunschlos für das Champions-League-Halbfinale nur einen sehnsüchtigen Bayern-Wunsch.

Foto: dpa

„Nein, ich möchte nur ins Endspiel kommen“, sagte der Vereinspräsident mit leiser, ungewohnt bescheiden klingender Stimme. Allerdings gibt es nach der übersprungenen Hürde FC Sevilla drei vom Anspruchsniveau sehr unterschiedliche Optionen: Titelverteidiger Real Madrid, der rasante FC Liverpool mit Jürgen Klopp und Semifinalneuling AS Rom.

Aufhalten lassen will sich der deutsche Serienmeister nach dem überwundenen Spanien-Fluch nicht mehr. Mit Trainer-Legende Jupp Heynckes, dem Triple-Schmied von 2013, soll nach dem dreimaligen Scheitern unter Pep Guardiola (2014 bis 2016) nun auch die schwarze Halbfinalserie beendet werden. Der Plan lautet: Triumph in Kiew!

„Wir sind im Halbfinale. Da gibt es kein anderes Ziel mehr, als ins Finale einzuziehen und das Ding zu holen. Das haben wir uns jetzt ganz groß auf die Fahne geschrieben“, verkündete Weltmeister Mats Hummels am Mittwoch im Hochgefühl des äußerst hart erarbeiteten 0:0 gegen den FC Sevilla, das nach dem 2:1-Hinspielsieg in Spanien ausreichend war.

Das Münchner Triple-Fieber steigt. „Klar, wir sind gierig“, sagte Thomas Müller: „Man merkt von Spiel zu Spiel und von Runde zu Runde, dass man näher kommt. Und wir wollen natürlich durchziehen.“

Arm in Arm ließen sich die erleichterten Bayern-Profis am späten Mittwochabend in der Allianz Arena von ihren Fans feiern. Die Nullnummer hatte gereicht, aber die Schrammen an etlichen Körpern wie bei Javi Martínez, der beim mit Rot geahndeten Foul von Joaquin Correa in der Nachspielzeit eine starke Knieprellung erlitt, oder auch Robert Lewandowski belegten den 90-minütigen Fight. Unter dem linken Auge trug der Münchner Torjäger ein riesiges Pflaster. Lewandowski hofft, dass er mit „einer Beule“ davongekommen ist.

Es ging um keinen Schönheitspreis gegen einen aufsässigen Gegner, dem Hummels „eine kernige, ruppige“ Gangart bescheinigte. „Wenn man ins Halbfinale will, ist einem jedes Mittel recht - und das muss man akzeptieren“, bemerkte Ex-Profi Hoeneß zu Sevillas Härte. Heynckes hob die Malochermentalität seiner Mannschaft an diesem Abend explizit hervor. „Meine Mannschaft hat eine überragende kämpferische Leistung gebracht“, lobte der 72-Jährige.

Der zähe Gesamterfolg gegen den mehrfachen Europa-League-Sieger wurde ja aufgewertet durch die routinierte Abgeklärtheit, welche die Bayern im Vergleich zum in Rom gestrauchelten Mitfavoriten FC Barcelona sowie dem gegen Juventus Turin wankenden Titelverteidiger Real Madrid gezeigt hatten. „Wenn man mitkriegt, was in Rom passiert ist, was in Madrid passiert ist, fand ich es total richtig, dass man nicht ins offene Messer gelaufen ist“, lobte Hoeneß die eigenen Stars. „Wenn man merkt, es geht nach vorne nicht so viel, muss man eben auf das 0:0 spielen. Das war sehr professionell“, sagte der 66-Jährige.

Die „krassen Ergebnisse“ in den Viertelfinal-Rückspielen seien ein Warnschuss für das eigene Team gewesen, berichtete Hummels - „und wird auch ein sehr wichtiger Warnschuss für das gewesen sein, was noch kommt in Bundesliga, Pokal und Champions League“. Nun gut: Die Meisterschaft ist schon eingetütet. Aber jetzt folgen Schlag auf Schlag das Pokal-Halbfinale am Dienstag bei Bayer Leverkusen sowie das Königsklassen-Halbfinale am 24./25. April und 1./2. Mai.

Die Bayern fühlen sich zu allem bereit, auch wenn gegen Sevilla nach zwölf Erfolgen die Königsklassen-Siegesserie unter Heynckes riss. „Wir haben nicht viel anbrennen lassen, wir haben große Teile des Spiels im Griff gehabt. Wir waren Herr im Haus!“, resümierte Hummels trotz eines Kopfballs der Gäste an die Latte. „Wir müssen noch eine Schippe drauflegen“, mahnte Arjen Robben dennoch an.

Klar, Real Madrid mit Weltstar Cristiano Ronaldo und Weltmeister Toni Kroos wäre die schwerste Aufgabe - und die Chance zur Revanche für das Viertelfinal-Aus 2017. Eine Wiedersehen mit Jürgen Klopp - 2013 im Finale mit Borussia Dortmund Heynckes und den Bayern unterlegen - wäre ebenfalls höchst brisant. Da klingt Barça-Schreck AS Rom doch wie das beste Los, das am Freitag (13.00 Uhr) in der Trommel liegt.

Allen voran Hoeneß wiegelte bei solchen Gedankenspielen ab: „Rom hat gezeigt, dass es total stark spielen kann. Deswegen gibt es in dieser Gruppe von vier Mannschaften keine schwache mehr, von der man sagen könnte, die ist leicht zu schlagen.“ Schon gar nicht die Bayern, die in Europas Königsklasse unter Finalspezialist Heynckes seit 13 Spielen unbesiegt sind. „Die anderen wollen auch nicht gegen uns spielen“, bemerkte Kämpfer Rafinha. Ein angemessenes Schlusswort.