Der BVB geht mit dem letztem Aufgebot ins „Endspiel“
Marseille (dpa) - Viele Sorgen, wenig Klagen - beim Aufbruch der Dortmunder Notelf zum Champions-League-Duell bei Olympique Marseille gaben sich alle Beteiligten zuversichtlich. Ungeachtet der Ausfälle von mindestens fünf Stammkräften verspürte Jürgen Klopp vor der Partie am Mittwoch Vorfreude.
„Es ist keine Situation, in der die Sonne scheint und alles Weltklasse läuft“, bekannte der BVB-Trainer. Dennoch fügte er trotzig an: „Wir wollen in der Champions League überwintern. Und genau das wird man uns ansehen. Auch in Marseille gibt es keine Mitleidspunkte.“
Dem Fußball-Lehrer steht im Stade Vélodrome die wohl schwerste Herausforderung seiner seit Juni 2008 andauernden Dortmunder Amtszeit bevor. Nach den Ausfällen von Neven Subotic, Mats Hummels, Marcel Schmelzer, Ilkay Gündogan und Sven Bender muss er den kompletten Defensivbereich erneut umbauen. Zudem ist der Einsatz von Nuri Sahin wegen eines Außenband-Teilrisses im Knöchel stark gefährdet. Der unlängst verpflichtete Innenverteidiger Manuel Friedrich darf in der Champions League nicht eingesetzt werden.
Die lange Liste der Verletzten kann Torjäger Robert Lewandowski nicht schrecken: „Es ist ein Schlüsselspiel. Aber wir schaffen das.“ Und auch Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke wollte die Situation beim Abflug am Dienstagmittag nicht dramatisieren: „Wir haben eine Feier nach der anderen gehabt. Aber wer geglaubt hat, es ginge immer so weiter, hat keine Ahnung von Fußball.“
Nur ein Sieg beim Tabellenfünften der Ligue 1 garantiert den Einzug in das Achtelfinale. Ansonsten ist der BVB (neun Punkte) auf Schützenhilfe des FC Arsenal (zwölf) im Parallelspiel beim SSC Neapel (ebenfalls neun) angewiesen. Im Extremfall könnte sogar erstmals ein Team mit zwölf Punkten schon in der Gruppenphase ausscheiden. Kommt es zu dieser Konstellation, bei der eine Tabelle aus den direkten Duellen der drei führende Teams den Ausschlag gibt, wäre Dortmund aufgrund der besseren Tordifferenz auf jeden Fall am Ziel.
Nicht nur das Verletzungspech trübte zuletzt die Stimmung. Nach zwei Heimniederlagen in den Bundesliga-Spitzenpartien gegen den FC Bayern und Leverkusen ist der Meistertitel in fast unerreichbare Ferne gerückt. Deshalb gewinnt der Kampf um einen Verbleib in der Champions League noch mehr an Bedeutung. „Wenn die Borussia nun auch noch aus der Champions League ausscheidet, brennt es ein bisschen“, orakelte Franz Beckenbauer als Experte im TV-Sender Sky.
Viel wird davon abhängen, ob Klopp für sein Personalpuzzle die richtige Lösung findet. In den Medien kursierten die unterschiedlichsten Varianten, für welche Startelf sich der Coach entscheiden wird. So nehmen mal Routinier Sebastian Kehl, mal Allzweckwaffe Kevin Großkreutz und mal Jungprofi Koray Günter den Platz neben Sokratis in der Dortmunder Innenverteidigung ein. Großkreutz mag sich an dieser Diskussion nicht beteiligen: „Verletzte sind keine Ausreden. Auch die anderen Spieler sind stark.“
Dass auch der dezimierte Kader in der Lage ist, auf europäischer Bühne zu überzeugen, stellte die Borussia vor zwei Wochen beim 3:1 gegen Neapel unter Beweis. Ein weiterer Erfolg würde eine Zusatzeinnahme von 3,5 Millionen Euro allein aus dem Prämientopf der UEFA garantieren. Zudem kämen fünf Bonuspunkte in der Fünf-Jahres-Wertung hinzu. Das könnte dazu führen, dass der BVB bei künftigen Gruppenauslosungen in den zweiten Lostopf aufsteigt und möglicherweise auf leichtere Gegner trifft.
Es trägt ein wenig zur Beruhigung bei, dass es auch bei Olympique Marseille derzeit reichlich Probleme gibt. Am Wochenende trennte sich der Club, der wettbewerbsübergreifend neun der vergangenen 13 Spiele verlor, von Trainer Elie Baup. Manager José Anigo soll bis Weihnachten als Interimslösung die Talfahrt bremsen, muss aber gegen den BVB auf die gesperrten Defensivspieler Nicolas Nkoulou und Alaixys Romaro sowie auf die verletzten Stars Mathieu Valbuena und André Ayew verzichten.
Dennoch wollen sich die Franzosen mit Würde aus dem Wettbewerb verabscheiden. „Es wäre eine Schande, wenn wir die Königsklasse ohne einen Punkt beenden würden“, wurde Mittelfeldspieler Mario Lemina im „Kicker“ zitiert.