Finale für zwei große Strategen: Xavi tröstet Pirlo
Berlin (dpa) - Auch im Arm von Xavi fand Andrea Pirlo nur für wenige Sekunden sein Lächeln wieder. Mit verweinten Augen drückte der untröstliche Juve-Regisseur den Barça-Kapitän auf dem Rasen des Olympiastadions an seine Schulter und erhielt einige aufmunternde Worte.
Unterschiedlicher hätten die Gefühlswelten beim Abschied der beiden großen Strategen aus Berlin nicht sein können. Die Turiner präsentierten sich am frühen Sonntagmorgen gegen 4.00 Uhr ihren Fans ohne Titel auf dem heimischen Flughafen, Xavi durfte mit Sergio Busquets die Champions-League-Trophäe zum Start einer langen Partynacht in den Teambus schleppen.
In seiner letzten Partie für Barcelona wurde der über mehr als eine Dekade stilprägende Mittelfeld-Organisator erst in der 78. Minute eingewechselt, durfte aber den Henkelpott von UEFA-Präsident Michel Platini in Empfang nehmen. „Nachdem ich die Trophäe hochgehoben habe, habe ich mich nostalgisch gefühlt, weil ich dieses Trikot nie wieder tragen werde“, sagte der 35-Jährige, der nach seinem vierten Königsklassen-Triumph zu Al-Sadd nach Katar wechseln wird. „Ich habe alles gegeben, mehr kann ich nicht verlangen. Ich bin glücklich und stolz.“
Bei seinem 151. Spiel in der Champions League verabschiedete sich Xavi noch mit dem Einsatz-Rekord von den Katalanen - ob Pirlo noch mehr als die 25 Königsklassen-Partien für Juve absolvieren wird, ist noch offen. Wortlos rauschte der 36-Jährige im schnieken Maßanzug aus der Kabine, keine Silbe über die missglückte Rückkehr an den Ort seines WM-Triumphes 2006 oder einen möglichen Wechsel in die USA.
„Ich hoffe, dass es nicht sein letztes Spiel für uns war“, sagte Sportdirektor Giuseppe Marotta. „Andrea ist die Ikone des italienischen Fußballs und von Juventus, ich verstehe seine Tränen. Er hat viele Emotionen geschenkt und es ist richtig, dass auch er starke Gefühle erlebt.“
Auch Torwart-Routinier Gianluigi Buffon (37), der noch zwei weitere Jahre unter Vertrag steht, wollte das Weinen Pirlos nicht als Abschiedstränen interpretieren. „Nein. Es war, weil es ihm sehr Leid tat, dass wir verloren haben.“
Doch beim 1:3 gegen Barcelona im Hochtempo-Finale wurde allzu deutlich, dass die Zeit des Juve-Taktgebers wohl abgelaufen ist. Nur in wenigen, flüchtigen Momenten erinnerte er mit genialen Pässen an seine alten Glanztage. „Pirlo ist müde“, konstatierte die „Gazzetta dello Sport“. „Er findet nicht den Lichtschalter in einem Finale, das sein Abschied vom italienischen und auch europäischen Fußball gewesen sein könnte“, schrieb „Tuttosport“.
Zumindest bei Barcelona ist die Nachfolge auf der Position des Mittelfeld-Anführers schon geregelt. Xavi selbst sprach sich für den etwas defensiver orientierten Sergio Busquets als nächsten Kapitän aus. „Sein Schicksal ist, der Chef des Teams im kommenden Jahrzehnt zu sein“, sagte Xavi.
Für Juve könnte Sami Khedira in eine Pirlo-ähnliche Rolle schlüpfen. Seit zwei Wochen steht der Wechsel des deutschen Nationalspielers von Real Madrid im Raum - und bahnt sich weiter an. „Es ist nicht einfach, Pirlo zu ersetzen“, erklärte Marotta. Die Verhandlungen mit Khedira seien „auf einem guten Weg. Er wird ein bereits mehr als zufriedenstellendes Mittelfeld weiter verbessern.“