Frust statt Lust: Kein weiteres Märchen für den BVB
Madrid (dpa) - Mats Hummels war sichtlich bedient. Schimpfend und abwinkend flüchtete der Nationalspieler als einziger Dortmunder Profi direkt nach dem Abpfiff in die Kabine.
Die unnötigen Gegentreffer und der fahrlässige Umgang seiner Mitstreiter mit Torchancen beim 0:3 (0:2) gegen Real Madrid nahmen ihm die Lust auf das obligatorische Händeschütteln mit den Gegenspielern und die Interviews mit den Medienvertretern. Selbst Daueroptimist Jürgen Klopp verzichtete wenig später auf Durchhalteparolen. „Nach allem, was man über Wahrscheinlichkeit sagen kann, ist Real im Halbfinale“, bekannte der nicht minder frustrierte Fußball-Lehrer.
Ausgesprochen dünnhäutig hatte Klopp noch kurz zuvor im ZDF-Studio reagiert, als ihn Moderator Jochen Breyer fragte, ob „die Sache durch“ sei. „Wie könnte man mir Geld überweisen für meinen Job, wenn ich heute hier stehen würde und sagen: die Sache ist durch? Das wäre genauso doof, wie wenn ich sagen würde, wir hauen die sicher weg“, giftete er den ZDF-Mann an, ehe er die Runde grummelnd verließ. Am Tag danach war Klopp bemüht, die Wogen zu glätten: „Ich habe mit dem ZDF-Sportchef telefoniert. Jeder der mich kennt weiß, dass die Sache abgehakt ist.“
Anders als im vorigen April, als die stolzen Dortmunder im altehrwürdigen Bernabéu-Stadion den Einzug in das Endspiel der Champions League bejubelt hatten, gab es diesmal lange Gesichter. Dass nur noch vier BVB-Profis aus dem damaligen Duell mit den „Königlichen“ dabei waren, erwies sich für die Dortmunder Rumpfelf als zu schwere Hypothek. „Wir waren einfach nicht mutig genug“, klagte Torhüter Roman Weidenfeller und lieferte die Begründung gleich mit: „Viele unserer jungen Spieler sind es einfach noch nicht gewohnt, alle drei Tage auf einem solch hohen Level zu spielen.“
Sieht man von der ersten halben Stunde ab, in der das spanische Starensemble um Cristiano Ronaldo und dessen kongenialen Mitstreiter Gareth Bale groß aufspielte, war die Borussia gar nicht so chancenlos, wie es das Ergebnis erscheinen lässt. Vor allem in der zweiten Halbzeit boten sich Möglichkeiten, um die Ausgangslage für das Rückspiel am kommenden Dienstag in Dortmund positiver zu gestalten. „Wir hätten hier etwas mitnehmen können“, befand Mittelfeldspieler Nuri Sahin, „aber unser Plan ist leider nicht aufgegangen. Das ist bitter.“ Weidenfeller pflichtete bei: „Wenn man solche Möglichkeiten hat, muss man Nadelstiche setzen.“
Anschauungsunterricht in Sachen Effektivität boten die Spanier. Gleich die erste Chance wurde eiskalt genutzt. Zum Verdruss von Klopp: „Kaum war die Champions-League-Hymne verklungen, lagen wir schon hinten.“ Mehr noch als die frühe Real-Führung durch Bale (3. Minute) machten jedoch die Treffer von Isco (27.) und Ronaldo (57.) zu schaffen. Beide Male gingen dilettantische Abspielfehler von Henrich Mchitarjan und Lukasz Piszczek kurz vor dem eigenen Strafraum voraus. „Das kann meine Mannschaft normalerweise wirklich besser“, sagte Klopp.
Süffisant kommentierten spanische Medien den Auftritt der Westfalen. „Dieser BVB war nur ein entfernter Verwandter der großen Borussia der vorigen Saison“, urteilte die Zeitung „El Pais“. Mit besonderer Genugtuung wurde auf der iberischen Halbinsel registriert, dass dem BVB selbst ein 4:1 wie im letztjährigen Halbfinale nicht reichen würde, um Real am Einzug ins Halbfinale zu hindern. „Daran wird auch ein Lewandowski im Bündnis mit den Sternen nichts ändern“, stellte „As“ fest.
Die Minimal-Hoffnungen der Dortmunder für das Rückspiel ruhen vor allem auf dem polnischen Torjäger. Schließlich kann der BVB dann wieder auf den in Madrid gesperrten Robert Lewandowski zurückgreifen, der gegen Real im April 2013 beim 4:1 gleich viermal getroffen hatte. Allerdings muss am Dienstag Kapitän Sebastian Kehl wegen einer Gelbsperre aussetzen. Für Klopp war das ein Grund mehr, sich in Zurückhaltung zu üben: „Wir haben uns keine Situation geschaffen, um große Kampfansagen zu machen.“
Eine direkte Kapitulationserklärung kam dem Coach allerdings noch nicht über die Lippen. „Im Viertelfinale der Champions League gibt es immer zwei Spiele“, fügte er trotzig an. Klopp hofft, dass seine Profis im Offensivspiel wieder die Präzision und Durchschlagskraft erkennen lassen, die noch in der vorigen Saison den Weg in das Finale geebnet hatte. „Mit einem besseren Gefühl hätte man die heutigen Chancen auch nutzen können. Mein Job ist es nun, vor dem zweiten Duell mit Real bei meinen Spielern für dieses bessere Gefühl zu sorgen.“