Guardiola wirft seinen Schatten auf Bayern-Barcelona
Madrid (dpa) - Er sitzt nicht auf der Trainerbank und auch nicht auf der Tribüne - dennoch ist Josep Guardiola allgegenwärtig im Halbfinale der Champions League zwischen Bayern München und dem FC Barcelona.
Wie weit der Schatten des künftigen Bayern-Trainers reicht, zeigte sich wenige Stunden vor dem Anpfiff des Hinspiels: Die Münchner bestätigten die Verpflichtung von Guardiolas Wunschfußballer Mario Götze pünktlich zum Dienstantritt von „Pep“ am 1. Juli 2013.
Das Fußballjuwel von Borussia Dortmund soll beim FC Bayern unter Guardiola, so wird vermutet, die Rolle spielen, die Lionel Messi bei Barça einnimmt. „Guardiola holt sich den 'deutschen Messi'“, titelte die spanische Online-Zeitung „mundodeportivo.com“. „Mario ähnelt Leo mit seiner technischen Begabung und seinem Überschall-Fußball. Barça hatte Götze im Visier gehabt, aber nicht unter Vertrag genommen, weil es bereits einen Messi in seinen Reihen hat.“
Für den in New York lebenden Guardiola bedeutet das Halbfinale ein Aufeinandertreffen von Zukunft und Vergangenheit: Beim deutschen Rekordmeister tritt der Coach im Sommer die Nachfolge von Jupp Heynckes an, bei Barça war er einst zum Regisseur des „Dream Teams“ von Johan Cruyff aufgestiegen und hatte als Trainer binnen vier Jahren 14 Titel eingesammelt.
Zu wem hält Guardiola im Halbfinale, zu seinem Heimatverein oder zu seinem künftigen Club? „Ich denke, es würde ihm gefallen, wenn Barcelona sich durchsetzt“, meinte Barça-Kapitän Xavi Hernández. „In jedem Fall aber wird Guardiola das Spiel aus der Ferne genießen.“
Der Trainer selbst hüllt sich zu der Frage, wem seine Sympathien gehören, tunlichst in Schweigen. Er ist auf Tauchstation gegangen und gibt sich alle Mühe, in der Öffentlichkeit nicht in Erscheinung zu treten. Guardiola weiß um die Empfindlichkeiten, die sein Name auf beiden Seiten weckt.
Wie groß die Sensibilitäten sind, zeigte sich, auch ohne dass der Katalane nur ein einziges Wort zum Halbfinale Bayern-Barça geäußert hätte. Bei den Münchnern reagierte Heynckes brüskiert auf die Frage, ob er sich bei Guardiola telefonisch einen Rat einholen würde. „Bitte respektieren Sie mich und meine Arbeit!“, meinte der Coach pikiert. „Ich brauche niemanden, um den Gegner zu analysieren.“ Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge berichtete indes von regelmäßigen Telefonaten und Treffen mit dem künftigen Coach.
Nach Ansicht der Zeitung „El País“ macht sich beim FC Bayern schon vor dem Amtsantritt des Heynckes-Nachfolgers ein „Guardiola-Effekt“ bemerkbar. „Der Kader fühlt sich aus der Ferne beobachtet von einem Trainer, der entscheiden muss, welche Spieler bleiben dürfen und welche nicht“, schrieb das Blatt. „In Deutschland herrscht, ohne die Verdienste von Heynckes zu schmälern, kein Zweifel daran, dass der Ehrgeiz der Spieler, dem künftigen Coach zu gefallen, sich positiv auf die Leistungen des Teams auswirkt.“
Auch beim FC Barcelona macht sich der „Geist Guardiolas“ bemerkbar. Vereinssprecher Toni Freixa stellte kürzlich die Behauptung auf: „Unser neuer Trainer Tito Vilanova übertrifft Guardiola auf allen Gebieten, auch in menschlicher Hinsicht.“ Diese Bemerkung brachte dem Sprecher heftige Kritik ein, so dass Freixa einen Rückzieher machen musste: „Ich wollte keineswegs die herausragende Arbeit von Guardiola herabwürdigen. Er ist eine Super-Trainer, das muss man gar nicht erst betonen.“