Hauptdarsteller Hummels rettet wankenden BVB
Donezk (dpa) - Mats Hummels war sichtlich erleichtert. Mit einem Dauerlächeln und viel Geduld meisterte der Nationalspieler den Interview-Marathon.
„Mir ist ein riesiger Stein vom Herzen gefallen“, bekannte er nach seinem späten Ausgleichstreffer zum 2:2 (1:1), der Borussia Dortmund bei Schachtjor Donezk vor der ersten Saisonniederlage in der Champions League bewahrt hatte.
Kurz vor Ende eines für seine Verhältnisse ungewohnt schwachen Spiels wurde Hummels von seinen Kollegen und den BVB-Fans stürmisch gefeiert. Diese Dramaturgie war ganz nach dem Geschmack von Trainer Jürgen Klopp: „Manchmal geht es im Fußball gerecht zu. Deshalb durfte Mats heute treffen.“
Hummels' Auftritt als Hauptdarsteller in wechselnden Rollen machte die über weite Strecken wenig hochklassige Partie zum Schauspiel. Sowohl in der Szene, die dem Freistoßtor von Dario Srna (31. Minute) vorausging, als auch vor der zweiten Führung des ukrainischen Meisters durch Douglas Costa (68.) wirkte der Dortmunder Abwehrchef zu zögerlich. Das brachte die Borussia in große Not, obwohl sie über weite Strecken dominiert hatte. „Wir haben zwei blöde Gegentore kassiert“, befand Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke.
Trotz seiner Patzer behielt Hummels jedoch die Nerven und traf per Kopf in der 87. Minute zum umjubelten Ausgleich: „Das war Achterbahn. Mein Tor war unfassbar wichtig für mich persönlich und für die Mannschaft“, kommentierte er. „Nun stehen die Chancen 55:45 für uns. Anders als Donezk müssen wir im Rückspiel kein Tor schießen, um weiter zu kommen.“
Viel spricht dafür, dass die zuletzt märchenhafte Reise der Borussia durch Europa weitergeht. Der erste Einzug in das Viertelfinale der europäischen Königsklasse seit 15 Jahren scheint zum Greifen nah. Anders als in den bisherigen Auswärtsspielen in Manchester, Madrid und Amsterdam fehlte zwar der große Glanz, doch der BVB meisterte die Aufgabe mit Entschlossenheit und Glück.
Gleich zweimal schlug die Borussia durch Robert Lewandowski (41.) und Hummels nach einem Rückstand zurück. Deshalb konnte Klopp mit dem Remis gut leben: „Wenn man schon nicht gewinnen kann, ist es in diesem Wettbewerb wichtig, dass man Tore schießt. Die Atmosphäre im Stadion war heiß, aber meine Mannschaft ist cool geblieben.“
Wieder einmal war auf Torjäger Lewandowski Verlass. Mit seinem bereits fünften Europacup-Tor brachte er sein Team zurück ins Spiel. Allein der Blick auf die Zahlen dokumentiert seine Effektivität. In 31 Pflichtspielen dieser Saison war er an 29 Treffern beteiligt, 21 erzielte er selbst. Diese bemerkenswerte Quote dürfte das Interesse diverser Clubs an einer Verpflichtung des bis 2014 an den BVB gebundenen Stürmers weiter erhöhen. „Das steht in keinem Fußball-Lehrbuch“, scherzte Klopp mit Bezug auf Lewandowskis kuriosen Treffer, als er mit einem missratenen Schussversuch zwei Gegenspieler ausspielte und dann eiskalt vollstreckte.
Neben Lewandowski überzeugte Sebastian Kehl. An seinem 33. Geburtstag stellte der Routinier abermals unter Beweis, wie wichtig er für die junge Mannschaft noch immer ist. Zufrieden ließ er seinen Ehrentag Revue passieren. „Ich habe mir zum Geburtstag heute ein gutes Spiel und ein vernünftiges Ergebnis gewünscht. Beides ist eingetreten.“ Zu Beginn der Rückreise gaben ihm die mit der Mannschaft gereisten Edelfans im Flugzeug ein Ständchen.
Doch angesichts des Flugzeugunglücks in der ukrainischen Metropole geriet der Fußball fast zur Nebensache. In einer Schweigeminute vor der Partie gedachten Spieler und Fans der Opfer der Bruchlandung am Nachmittag. Beim Anflug im dichten Nebel war eine aus Odessa kommende ukrainische Linienmaschine über die Landebahn hinausgeschossen und zerbrochen.
Dem Vernehmen nach wollten einige Passagiere die Partie in der Donbass-Arena besuchen. „Das ist das Perverse an diesem Job. Dass man so etwas mit Spielbeginn total ausblenden muss“, sagte Klopp, der seine Profis kurz vor dem Anpfiff über die Tragödie mit mehreren Toten informiert hatte. „Aber da waren die Jungs schon im Tunnel.“
Beim Start am nächsten Morgen waren die Trümmer der Antonow noch neben der Startbahn zu sehen. Dennoch gab es bei der Abreise keine Störungen. Schon in der Nacht war der Flughafen in der ostukrainischen Stadt wieder geöffnet worden. Fans und Mannschaft landeten deshalb programmgemäß in Dortmund.