Heynckes' Offensiv-Formel: Aus Sieben mach' Drei

München (dpa) - Ein Platz auf der Bank wäre für den früheren Weltklasse-Stürmer Jupp Heynckes selbst überhaupt nicht infrage gekommen.

„Mein Trainer hätte sich nie Gedanken gemacht, mich auszutauschen“, erklärte der Bayern-Coach vor dem Viertelfinal-Hinspiel der Champions League gegen Juventus Turin und ergänzte nach einer kleinen Kunstpause: „Weil wir damals nicht gleichwertige Alternativen gehabt haben. Das ist der Unterschied.“

Geschmeckt hätte dem mit 220 Toren drittbesten Bundesliga-Torschützen Heynckes - einst Inbegriff der legendären Mönchengladbacher Fohlenelf - die Reservistenrolle vermutlich aber auch nicht, wenn Hennes Weisweiler oder Udo Lattek größere Auswahl gehabt hätten. Beim deutschen Fußball-Rekordmeister wissen die Offensiv-Künstler jedoch praktisch schon mit ihrer Verpflichtung, dass sie sich ab und an auf der ungeliebten Bank wiederfinden werden. „Wenn ein Topspieler beim FC Bayern einen Vertrag unterschreibt, dann sollte er wissen, dass das keine Garantie ist, dass er 34 Pflichtspiele (in der Liga) macht oder in jedem Pokal- oder Champions-League-Spiel dabei ist“, betonte Heynckes.

Franck Ribéry, Arjen Robben, Xherdan Shaqiri und Thomas Müller heißen die Kandidaten für die Außenposition; der vierfache Torschütze aus dem HSV-Spiel, Claudio Pizarro, Mario Gomez und Mario Mandzukic sind die drei für den vordersten Platz auf dem Feld. „Wir haben drei Torjäger, ich habe auch Toremacher gesagt, das ist ein Begriff, der vielleicht noch ein bisschen intensiver ist. Dazu haben wir vier absolute Topspieler auf den Außenpositionen. Aus den sieben Spielern kann ich nur drei Spieler nominieren“, erklärte Heynckes. Das sei nicht immer einfach, aber ein Team brauche eben Topspieler als Alternativen. „Das ist ja auch das, was uns eigentlich im Champions-League-Endspiel im Sommer gefehlt hat.“

Petersen, van Buyten, Olic, Pranjic, Rafinha, Usami - so lauteten im Mai 2012 beim Final-Drama gegen den FC Chelsea die Namen der wenig furchteinflößenden Feldspieler auf der Bank. Jetzt sieht es da ganz anders aus, auch wenn bei Top-Stars die Enttäuschungen über eine Nichtberücksichtigung in der Startformation natürlich um ein Vielfaches größer sind als bei reinen Ergänzungskräften. Der Konkurrenzkampf sei „schwer einzuschätzen“, sagte WM-Torschützenkönig Müller. „Wir sind eine Mannschaft mit sehr vielen Spielern mit sehr hoher Qualität. Der Trainer hat keinen leichten Job, da die richtige Auswahl zu treffen. Ich möchte jetzt mit ihm nicht tauschen.“

Heynckes hat den Laden im Griff, selbst nach der 9:2-Gala gegen den HSV hielten sich die Protagonisten mit Startelf-Wünschen für Juve zurück. Wenn er Trainer wäre, würde er sich aufstellen, war von einem dabei versöhnlich lächelnden Robben noch die offensivste Aussage. Insgesamt lobt Heynckes das Miteinander seiner Stars, vor allem das von Pizarro, Gomez und Mandzukic. „Wie alle drei respektvoll miteinander umgehen, finde ich bemerkenswert - und deswegen funktioniert das so gut“, erläuterte der Fußball-Lehrer. „Weil es ist nicht einfach, wenn ein Spieler vier Tore erzielt und man dann diskutiert, ob er im nächsten Spiel dabei ist oder nicht.“

Zumal sich Pizarro trotz großer Anerkennung für die Konkurrenten („Es ist wichtig, dass wir alle drei in einer guten Verfassung sind. Wir machen alle drei Tore und das ist wichtig für den Verein“) auch noch für die Verlängerung seines am Saisonende auslaufenden Vertrags empfehlen will. Besser als mit vier Toren und zwei Assists kann man sich allerdings nicht bewerben. Vieles wird aber auch davon abhängen, was der künftige Trainer Pep Guardiola will. Der derzeitige TV-Zuschauer wird mit einer Menge eigenen Vorstellungen für die neue Saison antreten, wenn der Konkurrenzkampf in der Offensive durch den heiß gehandelten Dortmunder Robert Lewandowski noch größer werden könnte.

Guardiola griff in Barcelona gerne auch auf die Wuseltaktik ohne echten Stürmer zurück. Jüngst ließ auch Joachim Löw beim DFB-Doppelpack gegen Kasachstan so spielen, die Frage Gomez oder Götze wurde zwischenzeitlich zum alles beherrschenden Thema. „Es ist doch ganz klar, dass der Bundestrainer sich immer wieder Gedanken machen muss, um auch andere Spielsysteme auszuprobieren. Ich halte das für richtig“, erklärte Heynckes. Für den FC Bayern aber komme dies derzeit nicht infrage. „Wenn wir schon drei Toptorjäger haben, gehe ich mal davon, dass immer einer von den Dreien spielen wird.“