Inter resigniert nach „Alptraum“ gegen Schalke
Mailand (dpa) - Stürmerstar Samuel Eto'o schlich fassungslos vom Platz, Kapitän Javier Zanetti schaute apathisch auf die jubelnden Schalker, und Trainer Leonardo verschlug Inters 2:5-Desaster im wahrsten Sinne des Wortes die Sprache.
Schockiert erklärte der Brasilianer nach dem Absturz seines Teams im Viertelfinal-Hinspiel der Champions League mit krächzender Stimme den Bankrott des Titelverteidigers: „Es ist wenig realistisch, noch an eine Wende zu denken“, stammelte Leonardo. Der heftig kritisierte Coach resigniert, sein Job ist in Gefahr. Josep Guardiola vom FC Barcelona wird in der Presse schon als kommender Inter-Coach gehandelt.
Drei Tage nach der 0:3-Demütigung im Derby gegen Milan erlebte der Triple-Sieger einen zweiten Alptraum. Nach der Meisterschaft ist auch der Champions-League-Titel so gut wie sicher verspielt. Keiner glaubt mehr an ein Wunder in Gelsenkirchen. Schalkes historischer Triumph könnte so das Ende einer Ära besiegeln. Nach fünf Meistertiteln in Serie und dem Champions-League-Triumph 2010 gegen Bayern München sind die plötzlich kraft- und mutlosen Mailänder innerhalb weniger Tage abgestürzt.
„Inter begeht Selbstmord“, klagte die „Gazzetta dello Sport“ am Mittwoch. Trotz einer zweimaligen Führung ließ sich der Favorit von Schalke demontieren und am Ende vorführen. Gegen Inters katastrophal schwache Abwehr war jeder Schuss ein Treffer. Ein „Disastro“, titelte „Tuttosport“, und der „Corriere dello Sport“ staunte über „einen unglaublichen K.o.“. So wie viele Inter-Fans wähnte sich „Il Tempo“ in einem „Alptraum“. Und „La Repubblica“ vermutete: „So eine Nacht ändert alles.“ Zwei derart schmerzhafte Pleiten können bei dem so erfolgsverwöhnten Top-Club nicht ohne Folgen bleiben.
Bis fast ein Uhr saß Club-Präsident Massimo Moratti noch mit Leonardo in der Nacht im Giuseppe-Meazza-Stadion zusammen. „Er ist moralisch am Boden“, berichtete der für seine vielen Trainerentlassungen bekannte Patron. Anders als die Presse, die dem noch recht unerfahrenen Trainer taktische und psychologische Fehler vorhält, versuchte Moratti, den Brasilianer aufzubauen. „Für mich ändert sich nichts“, meinte der Öl-Magnat.
Kurz vor Weihnachten hatte er überraschend den nach seinem ersten Trainerjahr bei Milan ausgemusterten Leonardo für den glücklosen Mourinho-Nachfolger Rafael Benitez geholt. Unter dem 41-Jährigen gelangen Inter bis zum Wochenende eine Aufholjagd in der Serie A, in der man bis auf zwei Punkte an Spitzenreiter Milan herankam, und der 3:2-Sieg in der Champions League in München. „Bis letzten Samstag haben uns noch alle applaudiert“, meinte Mittelfeldspieler Esteban Cambiasso ratlos.
Statt Schulterklopfen gab es für die Inter-Spieler nur Mitleid. Der in Mailand immer noch omnipräsente und von vielen gern wieder bei Inter gesehene Erfolgscoach José Mourinho verschickte nach dem 4:0 mit Real Madrid über Tottenham gar eine Art „Beileidstelegramm“ und meinte: „Ich bin traurig wie alle Inter-Fans.“