Klopp hofft auf Trotzreaktion gegen Real
Dortmund (dpa) - Das Lächeln von Jürgen Klopp wirkte ungewohnt gequält. Im Frust über den baldigen Verlust von Mario Götze fiel es dem Dortmunder Trainer sichtlich schwer, Zuversicht für das Halbfinale in der Champions League gegen Real Madrid am Mittwoch zu verbreiten.
Doch bei allem Ärger über den Zeitpunkt der Veröffentlichung des Transfers bemühte sich der Fußball-Lehrer am Dienstag um Normalität: „Das ist eine klassische Jetzt-Erst-Recht-Situation. Aus solchen Situationen kann man auch Kraft schöpfen.“ Trotzig fügte er hinzu: „Wer immer es gewollt hat, dass unsere Vorbereitung gestört wird, wird keinen Erfolg haben.“
Die Nachricht vom Wechsel des Fußball-Juwels zum FC Bayern minderte bei allen Beteiligten die Vorfreude auf das laut Vereinshomepage „spektakulärste Heimspiel in der Geschichte von Borussia Dortmund“. Klopp hofft, dass seine Profis die unliebsamen Diskussionen über den Wechsel von Götze ausblenden können. Als einziger Vereinsvertreter stand Klopp am Dienstag Rede und Antwort. Im proppevollen Medienraum des Stadions richtete er einen eindringlichen Appell an die heimischen Fans: „Lasst uns einen besonderen Abend daraus machen, einen richtigen BVB-Abend. Vollgas geben und alles andere ausblenden.“
Nach einer bisher märchenhaften Champions-League-Saison steht die Borussia vor ihrer wohl größten Herausforderung - nicht nur in sportlicher Hinsicht. Denn die Entscheidung von Götze, am Saisonende zum FC Bayern zu wechseln, hinterließ mächtig Wirkung. Aus Sorge vor Unmutsäußerungen der Fans griff Klopp zu pathetischen Worten: „Es ist an uns allen zu zeigen, dass Borussia Dortmund über allem steht.“ Der Coach verkniff sich kritische Bemerkungen Richtung München: „Bei aller Rivalität: Bayern München hat kein Interesse daran, uns ein Ei ins Netz zu legen. Soweit geht die Rivalität nicht.“
Inständig hoffen Trainer und Vereinsführung, dass negative Folgen am Mittwochabend ausbleiben. „Wir haben viel zu gewinnen, aber nichts zu verlieren“, befand Hans-Joachim Watzke vor dem Duell mit dem spanischen Rekordmeister.
Anders als beim Viertelfinal-Rückspiel gegen den FC Malaga (3:2), das wegen der beiden Tore in der Nachspielzeit als „Wunder von Dortmund“ in die Vereinshistorie einging, gilt die Borussia diesmal nicht als Favorit und verspürt deshalb weniger Druck. Ermutigt durch die positiven Bilanz in den beiden Gruppenspielen (2:1, 2:2) gegen die vermeintliche Übermacht Real strebt das größte Überraschungsteam des diesjährigen Wettbewerbs eine gute Ausgangsposition für das zweite Duell am kommenden Dienstag in Madrid an. „Nach so einem Spiel wie gegen Malaga ist uns alles zuzutrauen. Wir wollen unbedingt den Titel holen“, tönte der einstige Real-Profi Nuri Sahin.
Das Selbstvertrauen kommt nicht von ungefähr. Schließlich ist die Borussia als einzige Mannschaft im laufenden Wettbewerb noch ungeschlagen. Zudem gelang in den bisherigen Heimspielen gegen Ajax Amsterdam (1:0), Real Madrid (2:1), Manchester City (1:0), Schachtjor Donezk (3:0) und Malaga (3:2) stets ein Sieg. Das bestärkt Mats Hummels in seinem Glauben an eine Fortsetzung der bisher märchenhaften Reise durch Europa. „Ich hätte ein deutsches Finale lieber“, sagte er der „Sport Bild“ in Anspielung auf das zweite Halbfinale zwischen dem FC Bayern und dem FC Barcelona, „vor allem auch, um der ganzen Welt zu zeigen, wie stark die Bundesliga ist.“
Neben Götze wird Nuri Sahin bei dem mit 65 829 Fans ausverkauften Spektakel im Rampenlicht stehen. Der einstige Real-Profi, der in der Winterpause über die Zwischenstation Liverpool als Leihspieler zum BVB zurückgekehrt war, gehörte vor dem Anpfiff zu den begehrtesten Interviewpartnern. Viel wird nach seiner Einschätzung davon abhängen, ob der bisher beste Torschütze des Wettbewerbs, Cristiano Ronaldo, ausgeschaltet werden kann. „Es gibt nur wenige auf der Welt, die es mit ihm aufnehmen können. Gott sei Dank ist Lukasz Piszczek einer von ihnen“, sagte Sahin, gab aber zu bedenken: „Allein kann er ihn nicht stoppen, wir müssen als Team arbeiten.“
Schon nach dem berauschenden Last-Minute-Erfolg über Malaga hatten die Borussen das Finale im Wembley ins Visier genommen. Mit Blick auf ein Bild im BVB-Kabinentrakt, das den einstigen Dortmunder Mannschaftskapitän Michael Zorc als Champions-League-Sieger von 1997 zeigt, hatte Matchwinner Felipe Santana in erster Euphorie kommentiert: „Vielleicht müssen wir das Foto von Michael Zorc bald durch eines von Mario Götze ersetzen.“ Auf diese Idee dürfte in Dortmund selbst im Falle einer neuerlichen europäischen Krönungsfeier niemand mehr kommen.