Kritik, Hohn und Spott für schweigenden Schweinsteiger
Wolfsburg (dpa) - Genug Zeit zu überlegen wäre gewesen - doch Bastian Schweinsteiger wollte nicht reden. Zwei Minuten vor Mitternacht zog der zuvor ausgetanzte Kapitän der Fußball-Nationalmannschaft wortlos seinen Rollkoffer durch den Keller des Wolfsburger Stadions.
Was Schweinsteiger nach dem 2:3 beim VfL und dem ernüchternden Champions-League-Aus von Manchester United dachte? Was er von der erneuten Kritik seines Trainers Louis van Gaal hält? Das blieb unbeantwortet, als Schweinsteiger nach mehr als einer Stunde im Raum für die Dopingkontrolle schweigend das Stadion verließ.
Auskunftsfreudiger war Schweinsteigers Trainer, der den einstigen Bayern-Star am späten Dienstagabend erneut abwatschte. Vor der Kritik an seinem deutschen Mittelfeldspieler wies der niederländische Coach aber noch einen englischen Journalisten in seiner unnachahmlichen Art zurecht: „Willst du mich unterbrechen?“, herrschte der Coach den Reporter an: „Ich will die Antwort geben, und du musst zuhören.“
Anschließend strafte van Gaal seinen einstigen Lieblingsspieler aus Münchener Tagen mit einem schlichten Satz ab. „Ich wechsele einen Spieler nicht einfach nur so aus“, sagte der United-Trainer, der Schweinsteiger schon in der 69. Minute vom Platz geholt hatte.
Von der Bank aus musste der deutsche Nationalspieler kopfschüttelnd mit ansehen, wie einer der größten Clubs des Weltfußballs beim Emporkömmling aus Wolfsburg verlor und in die zweitklassige Europa League abrutschte. Das hatte sich Schweinsteiger bei seinem Wechsel zum populärsten Premier-League-Club anders vorgestellt.
Die Kritik in England war gnadenlos. „Peinlich, amateurhaft, fürchterlich“, titelte die britische Zeitung „The Times“. Schweinsteiger stand im Mittelpunkt. „Der Deutsche war eine riesige Enttäuschung. Er sah langsam aus und war ein Schwachpunkt statt eine treibende Kraft“, urteilte die „Manchester Evening News“. „Er war aus irgendwelchen Gründen der Einzige, der Handschuhe trug. Es sah so aus, als nagt die Zeit an ihm“, schrieb „The Sun“.
Auch der „Guardian“ spottete: „Der Fußballer, der so lange wie ein Mercedes surrte, hustete und prustete, als die VW-Logos an ihm vorbeirasten. Er ließ zu viele Gelegenheiten zu, bis er endlich ausgewechselt wurde.“
Mehrere ehemalige Starspieler kritisierten Trainer Louis van Gaal. „Es ist enttäuschend“, sagte der ehemalige Kapitän Rio Ferdinand bei der TV-Übertragung von BT Sport. Sein früherer Mitspieler Paul Scholes kommentierte: „United sieht wie ein durchschnittliches Team aus, und dann bekommst du auch eine durchschnittliche Leistung.“
Der frühere Nationalspieler wies auch auf die hohen Transfer-Ausgaben der jüngsten Zeit hin: „Sie haben 250 Millionen Pfund ausgegeben und können sich nicht in dieser leichten Gruppe qualifizieren.“ Scholes kritisierte: „Man muss sagen, dass sie nicht so gut eingekauft haben, wie sie es hätten tun können.“
Der ehemalige englische Nationalspieler Michael Owen beklagte beim gleichen Sender, dass van Gaal bei seinem vor anderthalb Jahren begonnenen Umbau viele gute Profis aussortiert habe. Mit denen hätte Manchester nach Owens Ansicht die Gruppenphase überstanden.
Der selber kritisierte Trainer teilte allein gegen Schweinsteiger aus. „Er will auf dem höchsten Level spielen, besonders in Deutschland“, sagte van Gaal. Doch das habe nicht geklappt: „Ich kann nicht sagen, dass er der Schweinsteiger war aus meiner Zeit in München.“
Der ehemalige Münchener Coach hat sich offenbar auf Schweinsteiger eingeschossen. Bereits vor einigen Tagen monierte er, dass der DFB-Kapitän nicht auf hohem Niveau spiele. Das stimmt zwar und gilt vor allem auch für das Wolfsburg-Spiel. Dennoch beachtlich, dass der Coach einen Spieler, den er persönlich geholt hat, öffentlich derart maßregelt.
Dass Schweinsteiger in Wolfsburg schwach spielte, stand außer Frage. Er hatte mit 94 Prozent zwar die beste Passquote seiner Mannschaft, doch spielte der 31-Jährige vornehmlich Quer-, Rück- und andere Sicherheitspässe. Erschreckend war zudem die Zweikampfquote von nur 20 Prozent - die schlechteste des gesamten Teams.
Am schlimmsten dürfte es sich für den früheren Bayern-Star aber angefühlt haben, wie ihn sein WG-Mitbewohner von der WM in Brasilien austanzte. Bei Julian Draxlers weltmeisterlicher Vorbereitung des zweiten VfL-Tores offenbarte sich der Unterschied am deutlichsten - auf der einen Seite der dynamische Draxler, auf der anderen der statisch agierende Schweinsteiger.
Hinterher war es der 22 Jahre alte Wolfsburger und nicht etwa Manchesters Trainer, der den übertölpelten Routinier nach Mitternacht in Schutz nahm. „Der steckt das gut weg“, sagte Draxler: „Da mache ich mir überhaupt keine Gedanken um ihn.“