Leverkusen strotzt vor neuem Selbstvertrauen
San Sebastian (dpa) - Beim Bankett im pompösen Ballsaal eines Luxushotels in San Sebastian strotzte Bayer Leverkusens neuer Geschäftsführer vor Stolz über die Wiederauferstehung des Werksclubs.
„Wir haben wahrlich einen Grund zum Feiern“, frohlockte Michael Schade nach dem Einzug ins Achtelfinale der Champions League durch den 1:0-Sieg bei Real Sociedad. „Vor zwei Wochen hatten wir noch eine Diskussion darüber, ob wir das Fußballspielen in Leverkusen einstellen sollten. Vier Siege sprechen eine klare Sprache“, sagte Schade. Bayer 04 tanzt weiter auf drei Hochzeiten und steuert der erfolgreichsten Saison seit zwölf Jahren entgegen.
Statt sich durch das 0:5 gegen Manchester United und einer allseitigen Schadenfreude aus der Bahn werfen zu lassen, hatte die Blamage einen Hallo-wach-Effekt. „Es ist im Nachhinein besser gewesen, statt 0:1 gleich 0:5 zu verlieren, um diese Reaktion zeigen zu können“, meinte Nationalspieler Lars Bender.
In der Champions League weiter, im DFB-Pokal im Viertelfinale und hinter Bayern München und vor Borussia Dortmund Zweiter in der Bundesliga: Erinnerungen an die glorreiche Saison 2001/02 werden wach, als Bayer 04 die Endspiele in der „Königsklasse“ und im Pokal erreichte sowie um einen Punkt den Meisterschaftsgewinn verpasste.
„Wir freuen uns alle“, sagte Leverkusens Sportchef Rudi Völler, fügte aber rasch hinzu: „Jetzt heißt es dranbleiben. Nun kommt Eintracht Frankfurt am Sonntag und da müssen wir den Lauf ausnutzen.“ Aktuell stehe man in der Liga zwischen dem Champions-League-Sieger aus München und dem Champions-League-Finalisten aus Dortmund. „Wir fühlen uns da oben sehr wohl, müssen aber immer am Limit spielen“, erklärte Völler. Um in der Rückrunde nicht einzuknicken, erwägt er in der Winterpause Geld in neue Spieler zu investieren. „Interessant“ nannte er schon mal Kevin de Bruyne vom FC Chelsea, der bei Bayer im Gespräch ist.
Nicht vergessen hat Völler, wie Bayer 2002 nach den verlorenen Finals und dem verspielten nationalen Titelgewinn mit leeren Händen dastand - und fortan als „Vizekusen“ verspottet wird. „Die Mannschaft kann stolz sein auf das, was sie erreicht hat“, resümierte Torjäger Stefan Kießling nach dem Festtag in San Sebastian, mahnte aber zu Bescheidenheit. „Im Moment können wir noch keinen Titel in die Vitrine stellen.“
Nachdem Ömer Toprak mit dem Tor des Tages in der 49. Minute der Wegbereiter des Weiterkommen war, zelebrierte er es mit dem türkischen Volkstanz „Ankara Le“. „Es ist ein Zeichen des Charakters der Mannschaft. Nach zwei, drei schlechten Spielen wurden wir abgeschrieben, aber wir sind zurückgekommen“, freute er sich.
Selbst der stoische Bayer-Trainer Sami Hyypiä lief nach dem Abpfiff mit einem Dauergrinsen im Gesicht herum. „1:0 ist zu wenig bei den Chancen, die wir hatten“, meinte er. „Es war beim Tor ein bisschen Glück dabei, aber das nehmen wir gerne mit.“ Entspannen konnte sich der Finne nicht nur nach dem Toprak-Treffer, sondern besonders nach dem (Sieg-)Tor in der 67. Minute von Manchester United gegen Schachtjor Donezk. Bei einem Sieg wären die Ukrainer Gruppenzweiter gewesen.
In den beiden Liga-Spielen vor Weihnachten gegen Frankfurt und in Freiburg kann Bayer 04 nicht nur den Spitzenplatz festigen, sondern den Punkte-Hinrundenrekord des Vereins von 39 Zählern aus der Saison 2001/2002 noch übertreffen. Im Februar stehen die Achtel- und Viertelfinals in der Champions League und im nationalen Pokal gegen den 1. FC Kaiserslautern auf dem Programm. „Ich freue mich auf alles, das wird ein tolles Erlebnis“, sagte Völler vor der Auslosung der K.o.-Runde der „Königsklasse“ am Montag und zu einem Wunschgegner. Mögliche Gegner sind unter anderem Real Madrid, Atlético Madrid oder Paris St. Germain. „Wir wollen die beiden Spiele als Herausforderung annehmen und eine Überraschung schaffen“, sagte Kießling.