Mahner Sammer als Bayern-Scharfmacher

München (dpa) - Seine erste Bierdusche auf dem Münchner Rathaus-Balkon fand Matthias Sammer eklig und schön zugleich. Eklig, weil das Gebräu in den Kleidern hängen blieb. Schön, weil es der erste Titel des Ehrgeizlings mit dem FC Bayern war.

Und das soll nur der Anfang einer Ära voller Dominanz sein.

„Ich frage mich immer: Wie kann man noch besser werden? Also orientiere ich mich an den Besten“, sagte der 45-Jährige dieser Tage. „Mein Motiv ist Erfolg. Meine Identifikation zu diesem Club wird immer größer.“ Und wie selbstverständlich geht der Sportvorstand davon aus, dass der Sieger des Endspiels am Samstag in London nur FC Bayern heißen kann. „Wenn wir unser Top-Niveau an diesem Tag erreichen, kann es keinen anderen Sieger geben.“

Mit dem Ziel, aus „gut“ solle „sehr gut“ werden, die fehlenden Prozentpunkte herauszukitzeln und den „mia san mia“-Leitspruch auf den Sportklamotten mit noch mehr Leben zu füllen, war Sammer vor einem knappen Jahr angetreten. Jetzt streben die Münchner dem Triple entgegen, schon in der ersten Saison könnte Sammer gleich wiederholt nach Titeln mit Bier geduscht werden. „Er ist immer heiß. Er ist ein Gewinnertyp und das vermittelt er auch. Er versucht an Dingen zu schrauben, die sonst keiner beachtet“, schilderte WM-Torschützenkönig Thomas Müller das Wirken Sammers.

Ausgerechnet in England durfte der einstige Dortmunder 1996 den EM-Titel feiern. Die BVB-Vergangenheit sei nicht wichtig, der neuerliche Auftritt im Wembley-Stadion ebenso wenig. „Mir persönlich bedeutet es nichts, vielleicht müsste man aus sentimentalen Gründen anders antworten. Aber ich kann ja nur sagen, was ich fühle“, betonte der Sportvorstand. Der Erfolg steht immer über allem und da haben Gefühlsduseleien eben keinen Platz. „Er will gewinnen und macht alles dafür. Er versucht uns scharf zu halten“, beschrieb ihn Arjen Robben. „Er ist voll dabei und lässt nicht nach.“

Sammer will Sinne schärfen, verfolgt Training und Mannschaftssitzungen mit höchster Akribie - und arbeitete nach anfänglichem Knirschen auch immer besser mit Jupp Heynckes zusammen. „Das hat gut funktioniert zwischen uns beiden. Matthias hat genauso Anteil bei uns wie jeder andere im Funktionsteam“, bewertete der scheidende Trainer kürzlich; und dürfte sich über die eigene Einschätzung von Sammer gefreut haben. „Zunächst habe ich einen Stellenwert eingenommen, der dem Trainer gegenüber ungerecht war“, räumte Sammer ein. „Der Trainer hat über solch eine dominante Konstellation vielleicht nicht gerade Halleluja geschrien.“

Am liebsten hat Sammer Erfolg, am zweitliebsten, so scheint es, philosophiert er über Fußball. „Orientierung schaffen“ oder „Orientierung geben“ sind beliebte Schlagworte des früheren Dortmunder Champions-League-Siegers. Dass bei seinem einstigen Club Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke zwischen den Zeilen Sammer schon als Grund für Spannungen im Verhältnis der beiden Branchenführer anführte, ist dem ehemaligen Nationalspieler reichlich egal. „Ich strebe sicherlich irgendwann an, dass mich nicht nur meine Familie liebt, sondern irgendwann die ganze Nation, aber mir gelingt es noch nicht“, betonte er sachlich.

Sticheleien aus Dortmund, wie den Vergleich des FC Bayern mit einem James-Bond-Bösewicht durch Jürgen Klopp, konterte er kühl. „Die ganze Welt hinter sich zu wähnen, ist auch eine Form der Bescheidenheit“, sagte er im „Audi Star Talk“ von Sport1. „Wir haben Meinungsfreiheit in Deutschland. Er äußert sich zu gewissen Themen - und wir nicht.“

Seinen Anteil an der traumhaften Bayern-Saison mag Sammer selbst nicht einschätzen. „Meine Arbeit können am Ende wirklich nur Zwei auch richtig darstellen. Das sind der Trainer und meine Person, aber ich eigentlich weniger“, erklärte der 45-Jährige. „Selbst Uli Hoeneß oder Karl-Heinz Rummenigge, die einen fantastischen Job machen, sind eigentlich viel zu weit weg, um in der täglichen Arbeit wirklich bewerten zu können, was man in so einer Situation zu leisten hat oder nicht.“

Immerhin hatten die Bosse auch schon einen lockeren Besserungsvorschlag für Sammer parat. Als die Bayern Anfang April ihre 23. deutsche Meisterschaft sicherten, legte Präsident Uli Hoeneß dem Münchner Mahner nah, „auch mal Fünfe gerade sein zu lassen“. Sammer sei „ein ewiger Drängler, ein Ehrgeizling, ein Mann, der nie zufrieden ist“, lobte Hoeneß den Neuzugang aus dem vergangenen Sommer. Nur beim Feiern könne er noch lernen. „In diesem Bereich hat er vielleicht noch Nachholbedarf. Aber er hat ja sicherlich noch 10, 15 Jahre bei Bayern München, vielleicht noch länger. Da wird er das sehr gut lernen können.“