Marseille kämpft um letzte Chance
Paris (dpa) - Olympique Marseille droht nach dem voraussichtlichen Champions-League-Aus eine massive Spielerflucht, Trainer Didier Deschamps der Verlust des Arbeitsplatzes.
Im Duell mit dem deutschen Fußball-Rekordmeister FC Bayern München steht für den früheren französischen Nationalspieler aber auch seine glorreiche Geschichte in Marseille auf dem Spiel. Der Provence-Club ist hoch verschuldet und auf die Einnahmen aus der Champions League dringend angewiesen.
Für das Sportblatt „L'Équipe“ müssen die Franzosen nach der 0:2-Hinspielpleite nun in München einfach die „Heldentat ihres Lebens schaffen“. Bevor die Fußballer von der Clubführung einen Maulkorb verpasst bekamen, übte sich Innenverteidiger Stéphane Mbia in Zweckoptimismus: „Die Leute sind alle enttäuscht, aber ich denke, dass wir dort den Coup schaffen“, sagte der 25-jährige Kameruner. Verteidiger Rod Fanni gewinnt dem generellen Trübsinn sogar Positives ab: „Wir haben nun nichts mehr zu verlieren.“
Dass Olympique aber tatsächlich in der Lage sein wird, den Bayern auch nur einigermaßen Paroli zu bieten, glaubt in der Grande Nation kaum jemand. In den vergangenen neun Pflichtspielen gab es acht Pleiten und nur ein Remis. In einer „L'Équipe“-Umfrage meinten mehr als 90 Prozent, OM sei chancenlos. Selbst der frühere Olympique- und „Bleus“-Goalgetter Jean-Pierre Papin, der in den 1990ern auch das Bayern-Trikot trug, hat kaum noch Hoffnung: „Nichts ist unmöglich im Fußball, und Wunder gibt es, aber dazu muss man offensive Argumente haben, und die hat OM nicht“, sagte der 48-Jährige.
Marseille steht zwar im Finale des unwichtigen Ligapokals (am 14. April in Paris gegen Olympique Lyon), die verkorkste Saison könnte aber nur durch ein Weiterkommen in München gerettet werden. Im Pokal schied man jüngst gegen einen Drittligisten aus, und in der Ligue 1 hat man als Tabellenneunter acht Runden vor Ende schon 16 Punkte Rückstand auf einen Champions-League-Platz sowie zehn Zähler auf die Europa-League-Plätze. „Der Club geht den Bach runter“, schrieb „L'Équipe“ - das aber nicht nur sportlich, sondern auch finanziell.
Die Zeitung „La Provence“ schrieb, der Verein werde schon im Mai wohl die Spielergehälter nicht pünktlich zahlen können. Mit einem Saisondefizit von 22 Millionen Euro sei OM der Club mit den höchsten frischen Schulden in Frankreich. Präsident Vincent Labrune will die Clubeigentümerin Margarita Louis-Dreyfus überreden, im Sommer eine Finanzspritze von 35 Millionen Euro bereitzustellen.
Ganz düster sieht es derweil für Deschamps aus. In einem offenen Brief des wichtigsten OM-Fan-Clubs, der „Winners“, wurde der 43-Jährige nach der Bayern-Pleite scharf kritisiert. Das tat weh, denn Marseille ist die fußballerische Heimat von Deschamps. Als Trainer beendete er mit dem Titel von 2010 eine 18-jährige Durststrecke. 1993 gewann DD mit Marseille auch die Champions League. Fünf Jahre später wurde er mit Frankreich Weltmeister.
Aber nun scheint für den Mann mit der bescheidenen Körpergröße von 1,73 Metern, der am Vieux Port als „kleiner Riese“ gefeiert wurde, alles vorbei zu sein. C'est fini, glaubt auch Bixente Lizarazu: „Das ist das schwerste Jahr für Deschamps, es gibt eine Abnutzung, es wird bei OM wohl ein großes Reinemachen geben“, sagte der Ex-Bayernprofi.