Tränen und Tragik: Schweinsteiger und Robben am Boden

München (dpa) - Im schmerzhaftesten Moment seiner Karriere schlug Bastian Schweinsteiger auch den tröstenden Arm des Bundespräsidenten aus.

Joachim Gauck hatte seine rechte Hand bei der Pokal-Zeremonie ausgestreckt, der abwesende Bayern-Profi schlich mit einem leeren, zu Boden gerichteten Blick daran vorbei. Kurz zuvor waren alle Träume, Sehnsüchte und nun schon langjährigen Ziele des Münchner Mittelfeldchefs beim Elfmeterschießen des Champions-League-Finals am Innenpfosten zerschellt. „Wenn ein Spieler in so einem Spiel einen Elfmeter verschießt, dann muss er damit erstmal fertig werden“, erklärte Trainer Jupp Heynckes, der prophezeite: „Es wird sicherlich einige Tage dauern. Aber es gehört einfach zum Fußballerleben dazu. Das heißt Siege, große Titel und auch Enttäuschungen.“

Im Mittelkreis stand Schweinsteiger nach dem 3:4 im Elfmeterkrimi gegen den FC Chelsea mit gesenktem Haupt, hielt sich apathisch die linke Hand vors Gesicht. Neben ihm kauerte Arjen Robben, der gegen die Engländer den zweiten Titel in der Vize-Spielzeit 2011/12 verballerte. Auch wenn es in der Arena oder bei der „Trauerfeier“ im Postpalast keiner aussprach: Dass Robben wieder einen entscheidenden Strafstoß verschossen hatte, nahmen einige Kollegen dem Niederländer übel. Auf dem Platz legte er seinen Kopf trostsuchend in die muskulösen Arme von Chelsea-Held Didier Drogba, bei der Bankettrede von Karl-Heinz Rummenigge hätte sich Robben am liebsten unter dem festlich gedeckten Tisch verkrochen.

„Ironie der Geschichte: Ausgerechnet der Ex-Chelsea-Spieler Arjen Robben erfüllt Roman Abramowitsch nach neun Jahren Warten den Traum vom Sieg in der Champions League“, spottete die russische Sportzeitung „Sowjetski Sport“. Im Elfmeterschießen war der Niederländer dann nicht mehr zum Duell vom Punkt angetreten.

„Es ist nachvollziehbar, dass er im Elfmeterschießen nicht schießt, wenn er in der Verlängerung verschießt“, verteidigte Heynckes. Wohlwissend, dass es intern ein paar harte Worte gegeben hatte, weil der eine oder andere Bayern-Profi sich um das Elfmeterschießen gedrückt hatte. Nichts war da mit Mia-san-mia.

Anders war das bei Manuel Neuer, der nicht nur gleich den ersten Schuss von Juan Mata hielt, sondern auch selbst zum 3:1 verwandelte. Neuer trat an, übernahm vor der Kurve der Bayern-Fans, von denen ihn viele vor einem Jahr ablehnend empfangen hatten, Verantwortung. „Manuel ist ein Topschütze, mit einer sehr, sehr guten Schusstechnik. Deswegen war das denn eigentlich klar“, betonte Kapitän Philipp Lahm.

Heynckes verteidigte die Wahl des Torwarts als „legitim“, weil einige Spieler zu müde gewesen seien. Dass dann Neuer selbst nicht genau wusste, wann er an der Reihe war, hinterließ bei der ersten Niederlage im fünften Europapokal-Elfmeterschießen einen Beigeschmack. „Es war klar, dass ich schieße. Kurzfristig bin ich eingesprungen. Aber ich habe gedacht, dass ich einen später schieße“, schilderte Neuer das Wirrwarr um die fünf Münchner Elfmeterschützen.

Am Torhüter, Elfmeterheld in Mönchengladbach und Madrid, lag das Finaldrama nicht. Dagegen musste sich Robben fragen, ob er diesmal nicht besser einen anderen hätte schießen lassen sollen. „Wenn er festgelegt ist als Nummer-1-Schütze, dann schießt er den Elfmeter“, erklärte Präsident Uli Hoeneß.

Mit seinem Mega-Ego stand für den Niederländer außer Frage, dass er trotz seines Fehlschusses vom Meisterschafts-Finale in Dortmund und nach seinem haarscharf verwandelten Strafstoß vom Real-Halbfinale auch in der Verlängerung nach Foul von Drogba an Franck Ribéry gegen Chelsea antreten würde. Zu seiner Verteidigung sei gesagt: Es drängte sich auch kein anderer Bayer auf, kein Gomez, kein Schweinsteiger.

„Total blöd war, dass durch die Verletzung von Franck Ribéry bestimmt drei Minuten vergangen sind, bis er zum Schuss kam. Das ist für einen Spieler keine gute Ausgangsposition“, sagte Hoeneß. „Ich habe selber mal einen wichtigen Elfmeter verschossen und das muss man sacken lassen. In ein paar Tagen schauen wir, wie es weitergeht.“ Es geht bitter weiter: Statt die seelischen Wunden zu pflegen, steht am Dienstag das Kompensationsspiel für den durch die WM-Verletzung von Robben entstandenen Bayern-Schaden an. Kein Bayer traute sich auszusprechen, wie sehr er sich auf diese Partie freut.