Hoeneß: „Wir haben immer über Leverkusen gelächelt“
München (dpa) - Fragen an Bayern-Präsident Uli Hoeneß nach der Münchner Niederlage im Champions-League-Finale gegen den FC Chelsea.
Wie schlimm fühlt sich diese Niederlage an?
Hoeneß: „Grausam. Es ist Wahnsinn. Dreimal hatten wir die Chance, das Spiel für uns zu entscheiden. Wir hatten es eigentlich immer unter Kontrolle. Chelsea hat doch keine Torchance gehabt. Nur einmal habe ich Angst gehabt, als der Schiedsrichter nach dem 1:1 drei Minuten Nachspielzeit angezeigt hat.“
Wie schlimm ist es, gegen eine Mannschaft zu verlieren, die so wenig macht?
Hoeneß: „Das ist ein Riesenproblem, dass du es nicht fassen kannst. Man fühlt sich eigentlich gar nicht als Verlierer, weil beim Elfmeterschießen auch viel Glück dabei ist. Über 120 Minuten konnte man ja nicht das Gefühl haben, dass wir die schlechtere Mannschaft waren. Im Elfmeterschießen habe ich gedacht: Wir gewinnen die Platzwahl, schießen vor der Südkurve, das sieht schon mal gut aus. Lahm, der in Madrid nicht getroffen hat, macht ihn rein. Manuel hält den ersten - da denkst du, jetzt ist es passiert.“
Zumal Neuer als Torwart auch noch selbst einen verwandelt.
Hoeneß: „Ja, aber dann kamen schon ein paar Kandidaten, wo ich nervös wurde.“
Können Sie sich an ein Spiel erinnern, in dem der FC Bayern schon einmal so viele Matchbälle vergeben hat?
Hoeneß: „Eigentlich nicht. Wobei, 1999 in Barcelona gegen Manchester konnten wir nach dem 1:0 auch das zweite, dritte Tor machen. Aber so klar wie heute?“
Was wird das am Dienstagabend in der Arena gegen die Niederlande jetzt für ein Spiel?
Hoeneß: „Darüber mache ich mir jetzt ehrlich noch keine Gedanken. Es wäre ein schönes Spiel geworden, wenn wir gewonnen hätten. Da wäre das so ein richtig schöner Saisonabschluss. Aber jetzt ist es so in between, so zwischendrin alles. Das müssen wir abwarten.“
Haben Sie generell Sorge, dass man nach so einer Saison nächstes Jahr ein Problem kriegt aufzustehen?
Hoeneß: „Man darf an so einem Abend keine positiven oder negativen Prognosen anstellen. Das muss man einfach mal setzen lassen, dann in Ruhe analysieren und danach ein Ergebnis ausgeben.“
Gab es eine spontane Jetzt-erst-recht-Stimmung in der Kabine? Wie haben Sie die Mannschaft erlebt?
Hoeneß: „Ich möchte jetzt keine Mannschaftskritik machen. Ich habe schon ein paar Dinge gesehen, die mir nicht gefallen haben. Aber es hat keinen Sinn, das an diesem Abend zu diskutieren.“
Ist das eine Niederlage, die tiefer steckt, die nicht so leicht abzuschütteln ist?
Hoeneß: „Schwer zu sagen. Ein gewisses Problem ist, dass wir drei Titel nicht gewonnen haben. Wir haben immer über Leverkusen gelächelt, jetzt sind wir in einer ähnlichen Situation. Wobei es nicht ganz so vergleichbar ist. Vor allem, das heutige Spiel war nicht so wie damals das Finale von Leverkusen gegen Real Madrid, da haben sie ja keine Chance gehabt. Es ist nun mal so: The winner takes it all. Das ist nun mal heute die Welt. Früher hätten wir noch wochenlang diskutiert, wie unverdient, die armen Bayern.“
Konnten Sie hinschauen, als Chelsea-Kapitän Frank Lampard den Pokal hochgehalten hat?
Hoeneß: „Ich habe nur kurz hingeschaut. Aber das ist bei mir immer so. Wenn man verloren hat, hat man verloren. Die wissen ja bis jetzt noch nicht, wie sie das gemacht haben. Aber es ist nun mal so.“
Woran haben Sie gedacht, als Robben zum Elfmeter antrat: An seinen Fehlschuss in Dortmund oder den verwandelten Elfer in Madrid?
Hoeneß: „Wenn er festgelegt ist als Nummer-1-Schütze, dann schießt er den Elfmeter. Total blöd war, dass durch die Verletzung von Franck Ribéry bestimmt drei Minuten vergangen sind, bis er zum Schuss kam. Das ist für einen Spieler keine gute Ausgangsposition. Da wird man kalt, da kommt man aus dem Rhythmus. Ich weiß nicht, ob sie unten diskutiert haben, ob vielleicht Mario schießt. Keine Ahnung. Aber es gab überhaupt keine Dissonanz offensichtlich. Die waren sich einig, dass Arjen schießt.“
Die Münchner Champions-League-Sieger von 2001 haben stets betont, sie hätten gewusst, irgendwann sind sie dran. Haben Sie das Gefühl, dass das für diese relativ junge Mannschaft auch gilt?
Hoeneß: „Grundsatzaussagen will ich jetzt nicht machen.“
Aber gibt die Mannschaft von der Perspektive her nicht Grund zum Optimismus, dass es wieder mit einem Finale klappen könnte?
Hoeneß: „Das muss ich analysieren. Da muss ich für mich noch zu einer Erkenntnis kommen.“
Sie sagten, Sie wollen alles in Ruhe analysieren und dann zu einem Ergebnis kommen...
Hoeneß: „...das muss ja der Vorstand entscheiden. Ich werde meine Meinung sagen. Wir werden die Saison analysieren und zu einem Ergebnis kommen. Auf die Dauer habe ich keine Lust, immer Platz zwei zu belegen. Das ist kein Zustand, den ich akzeptieren kann.“
Nach dem Finaleinzug in Madrid haben Sie gesagt, 'es ist eine sehr gute Saison für uns'. Und jetzt?
Hoeneß: „Es ist eine gute Saison, ordentlich, gut, nicht sehr gut.“
Ist es nicht paradox? Wenn Robben den Elfmeter reinschießt, ist das Ding gelutscht, oder?
Hoeneß: „So ist es. Aber vielleicht müssen wir uns fragen, warum es so passiert ist, ob das die Spieler sind, die das erzwingen. Ob wir davon genug haben. Ich habe heute keinen Jens Jeremies gesehen, der schon beim Einlaufen den Gegner in die Waden beißt. Wir können nicht sagen, alles ist in Ordnung, wenn wir dreimal Zweiter sind. Ich bin nicht derjenige, der das so hinnimmt. Einmal kann das passieren, aber zweimal, dreimal...“
Es ist das zweite titellose Jahr nacheinander. Das gab es lange nicht mehr beim FC Bayern.
Hoeneß: „Ach, wir müssen aufpassen. Wir dürfen uns auch nicht zu sehr unter Druck setzen. Wir sprechen von einem guten Jahr und keinem katastrophalen Jahr. Als wir 2007 mal so einen Einkaufswahnsinn betrieben haben mit Luca Toni, mit Franck Ribéry und so weiter, da hatten wir vorher gar nichts gemacht. Da waren wir im Pokal ausgeschieden, waren in der Champions League ausgeschieden und waren in der Meisterschaft Vierter. Das ist jetzt nicht ein Problem.“