Champions League Wolfsburg: Keine Angst vor Reals Aufholjagden
Real Madrid und der Mythos Bernabeu.
Osnabrück. In 22 Europapokal-Duellen hat Real Madrid seit 1956 einen Rückstand aus dem Hinspiel aufgeholt — acht Mal mussten die „Königlichen“ dabei sogar zwei oder mehr Tore wettmachen. Die gute Nachricht für den VfL Wolfsburg vor dem Rückspiel am Dienstag (20.45 Uhr) im Bernabeu-Stadion: Die legendären Wende-Triumphe von Real liegen lange zurück. Und bei den Aufholjagden scheiterten die Madrilenen. Verblasster Zauber?
Es begann gleich im ersten Jahr des Wettbewerb, der in der Premierensaison 1955/56 „Europapokal der Landesmeister“ hieß. Bei Partizan Belgard, die mit Weltklassefußballern wie dem späteren Erfolgstrainer Branko Zebec besetzte Top-Elf aus Jugoslawien, hatte Real das Viertelfinalhinspiel 0:3 verloren.
Im Rückspiel am 25. Dezember (!) 1955 peitschten 120 000 im ausverkauften Bernabeu-Stadion die Real-Stars um Alfredo di Stefano, Francisco Gento und Miguel Munoz nach vorn. Nach 36 Minuten war der Rückstand wettgemacht, zwanzig Minuten vor Schluss fiel das 4:0 — der Mythos von der Macht Reals im eigenen Stadion war geboren.
Im Oktober 1975 hatte Derby County, der englische Sensationsmeister mit dem Trainer-Großmaul Brian Clough, Real 4:1 zerlegt; drei Treffer fielen durch Foulelfmeter. Im Rückspiel schlotterten selbst den abgebrühten englischen Profis um Starstürmer Charlie George vor der Kulisse der 120 000 die Knie. Nach 90 Minuten stand es 4:1, dank eines von Pirri verwandelten Elfmeters — und in der Verlängerung erzielte Carlos Santillana das maßgerechte 5:1. Im Team des Siegers standen die deutschen Stars Paul Breitner und Günter Netzer.
1980 reichte Celtic Glasgow ein 2:0-Hinspielsieg nicht, Real machte in Bernabeu mit dem 3:0 kurz vor Schluss alles klar, unter den Torschützen: Uli Stielike Geradezu legendär wurde die Saison 1984/85. In der 2. Runde bügelte Real eine 1:3-Blamage beim FC Rijeka mit einem 3:0 um — zwei Treffer fielen in den letzten zehn Minuten. Im Achtelfinale gingen die Madrilenen mit einer 0:3-Hypothek in das Rückspiel gegen den RSC Anderlecht — und schossen ein sensationelles 6:1 mit drei Treffern von Emilio Butragueno heraus; nach 30 Minuten stand es bereits 3:0. Und im Halbfinale lernte Inter Mailand das fürchten: Die italienischen Defensivkünstler und dem gerade verpflichteten Karl-Heinz Rummenigge kamen mit einem 2:0-Vorsprung nach Madrid und gingen 0:3 unter.
Den größten Rückstand holte Real gegen ein deutsches Team auf. Im Düsseldorfer Rheinstadion hatte die von Jupp Heynckes trainierte Mönchengladbacher Borussia Ende November 1985 wie im Rausch aufgetrumpft und Real mit 5:1 bezwungen. Das Rückspiel am 11. Dezember schien eine Formsache zu sein, doch nach 18 Minuten stand es durch zwei Treffer von Valdano 2:0. Bis eine Viertelstunde vor Schluss ließ sich Torwart Uli Sude nicht mehr bezwingen, doch dann schlug Carlos Santillana zwei Mal zu; das 4:0, das das Aus der Borussia bedeutete, fiel — typisch Bernabeu — in der vorletzten Minute.
Im Frühjahr 1987 knüpfte Real ein letztes Mal an die Tradition an und ließ einem 2:4 bei Roter Stern Belgrad einen 2:0-Heimsieg folgen. Zuletzt verfing der Zauber nicht mehr: Dreimal gelang es Real im Halbfinale der Champions League nicht, das Duell nach einer Hinspielniederlage zu drehen. Juventus Turin, Borussia Dortmund — obwohl der BVB nach dem 4:1 beim 0:2 in Bernabeu den Sog des Stadion spürte — und Bayern München hielten in Madrid stand; ebenso wie 2010 Olympique Lyon und 2008 AS Rom.