Zurück aus der Versenkung: Chicharito der Real-Held
Madrid (dpa)- Vor dem Spiel vertieft er sich in ein inständiges Gebet, nach dem Abpfiff vergießt er Tränen der Freude: Der fast in Vergessenheit geratene Ersatzmann Javier Hernández schießt Real Madrid ins Halbfinale der Champions League.
„Chicharito“ (Erbschen), wie der Mexikaner genannt wird, erzielte das Goldene Tor zum 1:0-Sieg des Titelverteidigers im Viertelfinal-Rückspiel gegen Atlético Madrid. „Hübscher und geliebter Chicharito“, schwärmte das Sportblatt „Marca“ von dem Fußballer, der zuletzt in der Versenkung verschwunden war. Sein letzter Treffer im europäischen Elitewettbewerb liegt fast drei Jahre zurück, sein Club Manchester United lieh ihn im September 2014 an Real aus, aber auch dort kam er kaum zum Zuge. Nun gelang dem 26-Jährigen das Tor seines Lebens.
Mit seinem Treffer in der 88. Minute verhalf der Mexikaner Real zum ersten Saisonsieg über den Lokalrivalen, gegen den die Königlichen bis dahin in dieser Spielzeit in sieben Derbys nicht einmal hatten gewinnen können. Nach dem 0:0 im Hinspiel stehen die Weißen zum fünften Mal hintereinander in der Runde der letzten Vier. Dies hatte bei Real zuletzt vor mehr als einem halben Jahrhundert die legendäre Elf um Alfredo di Stéfano geschafft.
„Ich hatte das Glück, den Ball ins Tor schießen zu können, aber der Treffer gehört dem gesamten Team“, sagte Chicharito, der einer alten Fußballer-Dynastie entstammt. Schon sein Vater und sein Großvater hatten in Mexiko für die Nationalelf gespielt. „Er hat den Torerfolg verdient“, betonte Trainer Carlo Ancelotti. „Chicharito hat eine schwere Saison hinter sich.“
Der Italiener hatte am Mittwochabend nach dem Ausfall von Marcelo, Luka Modric, Gareth Bale und Karim Benzema eine Verlegenheitself aufbieten müssen. Dies hatte allerdings auch sein Gutes: Der Trainer konnte für den Stürmer Bale einen zusätzlichen Mittelfeldspieler einsetzen, der Weltmeister Toni Kroos den Rücken stärkte.
Ancelotti ließ sich dabei auf ein riskantes Experiment ein und beorderte den Abwehrchef Sergio Ramos ins Mittelfeld. Im Punktspiel beim FC Barcelona hatte er damit Schiffbruch erlitten und heftige Kritik einstecken müssen. „Wenn die Sache erneut schief gegangen wäre, hätte man mich vielleicht umgebracht“, witzelte der Trainer. „Aber ich bin noch am Leben.“
Während Real mehrere Chancen herausspielte - Chicharito schoss zweimal knapp neben das Tor -, bot Atlético eine enttäuschende Partie. Der spanische Meister, der sich zuletzt zu einem Angstgegner des großen Nachbarn entwickelt hatte, zog sich ganz in die Defensive zurück und spielte fast keine Torchance heraus. Trainer Diego Simeone hatte offensichtlich darauf spekuliert, das 0:0 bis in die Schlussminuten oder die Verlängerung zu halten und dann durch einen Glückstreffer zum Erfolg zu kommen.
Eine Szene in der 76. Minute machte ihm jedoch einen Strich durch die Rechnung: Der bereits verwarnte Regisseur Arda Turan stieg hart in einen Zweikampf mit Sergio Ramos ein und erhielt vom Bundesliga-Schiedsrichter Felix Brych die Gelb-Rote Karte. In Unterzahl war für Atlético das Spiel praktisch gelaufen.