Champions League Bayern mit „Humba Täterä“ auf Triple-Kurs
München (dpa) - So spielen und siegen Champions. Und so jubelten die Bayern-Asse auch nach dem fußballerischen Urknall gegen den FC Porto.
Thomas Müller erklomm als Vergnügungswart beim Abspann einer grandiosen Champions-League-Nacht mit dem 6:1-Sturmlauf ins Halbfinale den Zaun vor der Fankurve und stimmte mit einem Megafon eine „Humba Täterä“ an. Auf dem Rasen hüpften die Kollegen um den neuen Münchner Liebling Thiago wie nach einem Titelgewinn wild durcheinander. Bilder purer Freude, wie es sie so in zehn Jahren Allianz Arena noch nicht zu sehen gab - und das am Ende einer sogar für den Unterhaltungsbetrieb Bayern München völlig verrückten Woche.
„Es war eine magische Nacht. Ich habe noch nicht viele solcher Nächte erlebt, obwohl ich schon lange dabei bin“, staunte Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge. Nur sechs Tage nach der so bedrohlichen 1:3-Pleite im Viertelfinal-Hinspiel in Portugal ist die Münchner Großwetterlage schlagartig von einem schweren Tief in ein Hoch umgeschlagen, das bis Saisonende stabil bleiben soll. „Viele haben gedacht, dass wir es nicht schaffen, aber wir sind der FC Bayern“, sagte Robert Lewandowski, der am Dienstagabend ein echter „Roter“ geworden ist: „Wir können alles schaffen! Wir wollen alles gewinnen!“
Statt ein Rettungspaket mit dem Double schnüren zu müssen, können die Bayern nach dem Einzug in ihr neuntes Königsklassen-Halbfinale frohen Mutes wieder Kurs auf das Triple nehmen: 25. Meisterschaft, 18. Pokalsieg und zur Krönung am 6. Juni fast „dahoam“ in Berlin der dritte Champions-League-Triumph nach 2001 und 2013? Es könnte doch noch eine weitere historische Saison werden. „Die Mannschaft hat gezeigt, dass sie eine Mannschaft ist“, hob Kapitän Philipp Lahm den Zusammenhalt in einer kritischen sportlichen Situation hervor.
Die Bayern sind zurück in Europa. „Ich weiß nicht, ob wir der große Favorit sind“, sagte Lahm in den Rausch der Nacht hinein. Am Freitag (12.00 Uhr) wird das Halbfinale ausgelost. „Der Gegner ist uns egal, denn es wird in jedem Fall schwierig“, sagte der neue Anführer Thiago zur Aussicht auf ein Duell mit seinem Ex-Club FC Barcelona. Sportvorstand Matthias Sammer prangerte die extrem hohe äußere Erwartungshaltung an: „Eine deutsche Meisterschaft zählt nichts mehr, ein Pokal-Halbfinale auch nicht, das ist schon erstaunlich.“
Auf dem Rasen hatten die Bayern zuvor ihr Brandzeichen „Mia san mia“ aufgefrischt. Vor allem in den ersten 45 Minuten, die mit „Wahnsinn“ wie von Lewandowski noch unzureichend beschrieben wurden. „Alles, was wir uns vorgenommen hatten, ist aufgegangen. Manchmal sogar mehr“, resümierte Thiago nach den fünf Toren von ihm selbst, Lewandowski, Müller und Jérôme Boateng. Nach der Pause gelang Jackson Martinez das Ehrentor für Porto, ehe Xabi Alonso den Schlusspunkt setzte.
Druck? Na und! Das 1:3 in Porto, der spektakuläre Rückzug von „Doc“ Müller-Wohlfahrt, das Fehlen von Erfolgsgaranten wie Robben, Ribéry oder Alaba - nichts hielt diese Münchner Mannschaft auf. „Wir mögen diesen Druck, wir sind geboren für solche Spiele und wir sind stolz, sie zu spielen. Der Druck ist immer gut“, erklärte Thiago lässig. „Es war das einzige Spiel, wo wir mal was gewinnen konnten als FC Bayern“, bemerkte Torhüter Manuel Neuer: „Es war eine Klasseleistung von uns allen. Darauf ruhen wir uns jetzt nicht aus.“
Dafür wird schon Pep Guardiola sorgen, dieser irrwitzige, aber eben auch geniale Trainer an der Seitenlinie, der auch mit zerrissener Hose das Team noch gestenreich dirigierte. Sein taktischer Schachzug, auch ohne die verletzten Robben und Ribéry Porto über die Flügel zu knacken, mit Lahm fast als Rechtsaußen sowie Mario Götze und Juan Bernat als Duo links, ging überragend auf.
Von Perfektion sprach der Perfektionist trotzdem nicht, aber von großen Gefühlen. „Ich bin ein glücklicher Mensch, ich bin Trainer dieser überragenden Spieler. Nach der Niederlage waren sie meine Helden, jetzt ist es einfach, sie zu lieben“, verkündete Guardiola. Der „Mr. Champions League“, der beim sechsten Start als Coach das sechste Mal im Halbfinale steht.
Viele Helden hatte dieser Abend. Etwa Müller, der mit seinem 27. Tor zum erfolgreichsten deutschen Königsklassenschützen aufstieg. Oder Lewandowski, der erstmals international doppelt im Bayern-Trikot traf. Aber alle überstrahlte Thiago, der neue Publikumsliebling, dem auch Guardiola bei der Auswechslung begeistert applaudierte und den er bei seiner Umarmung fast erdrückte. Der 24 Jahre alte Thiago demonstriert nach einer langwierigen Knieverletzung, warum Guardiola kurz nach seinem Arbeitsbeginn in München im Sommer 2013 dem Verein einen resoluten Kaufbefehl erteilte: „Thiago oder nix!“
„Er ist der Dreh- und Angelpunkt“, lobte Neuer den geschmeidigen Techniker: „Es wäre schon eine Katastrophe, wenn er jetzt nicht dabei sein würde.“ Sätze am Ende einer Woche, die Weltmeister Götze „definitiv“ als die verrückteste in seiner zweijährigen Bayern-Zeit in Erinnerung behalten wird. Eine Woche, wie sie im deutschen Fußball nur der FC Bayern aufführen kann. „Diese Choreographie mit 'niemals aufgeben' hat gepasst zu diesem Spiel“, sagte Neuer zum Schriftzug, den die Fans über die gesamte Südkurve hinweg enthüllt hatten.
„Es ist wie ein Traum, was wir heute erlebt haben“, stellte Rummenigge fest. Die Realität geht am Wochenende weiter, wenn die Bayern Titel Nummer eins ernten können, die Meisterschaft. Es wird die leichteste Übung im Saison-Endspurt.