Der ewige FIFA-Chef geht nun doch
Zürich (dpa) - Ein Meister der Machtspiele, ausgebufft, vor allem skandalerprobt - wer hätte ernsthaft gezweifelt, dass Joseph Blatter auch seine fünfte Amtszeit zum Ende bringt.
Nach außen wenig beeindruckt von den jüngsten Korruptionsenthüllungen hatte der FIFA-Präsident erst am vergangenen Freitag seine Wiederwahl gefeiert. Nur Tage zuvor waren zwei seiner ehemaligen Vize-Präsidenten in der Schweiz in Auslieferungshaft mit dem Ziel USA genommen worden.
Doch schwierige Situationen überstand der 79-jährige Blatter in seinen 40 Jahren bei der FIFA en masse. Dass er im Hallenstadion von Zürich gegen Prinz Ali bin al-Hussein in einen zweiten Wahlgang musste, war zwar für den erfolgsverwöhnten Blatter ungewohnt. Doch wieder einmal hielt er seine ärgsten Kritiker - vor allem in Europa - auf Distanz.
Es galt das wieder einmal das Prinzip Blatter, wie es die Zeitung „Tagesanzeiger“ beschrieben hatte. Der Mann aus dem Hochgebirgskanton Wallis habe ein regional begründbares Talent. Er schaffe es immer, da zu stehen, „wo die Lawine nicht niedergeht“.
Warum hing Blatter so an der Macht? UEFA-Präsident Michel Platini, einst Weggefährte, dann Kritiker, glaubt den FIFA-Chef so gut zu kennen, dass er dessen Seelenleben analysieren kann. Der Franzose, der seinen langjährigen Ziehvater aus dem Amt drängen wollte, es aber nicht wagte, gegen ihn anzutreten, sagte, dass es für Blatter nicht mehr um Inhalte oder Missionen geht, sondern nur noch um Machterhalt zum Selbstzweck.
Nach 40 Jahren im Weltverband und 17 davon als Chef ist Blatter mit der FIFA quasi verschmolzen. „Er hat sein Leben an die Institution gegeben, bis zu dem Punkt, an dem er sich komplett mit der FIFA identifiziert“, sagte Platini. Freiwilliges Aufhören sei somit auch im Rentenalter unmöglich geworden.
Und warum auch Rücktritt? Zwei FIFA-Vizepräsidenten verhaftet, Ermittlungen gegen ein Dutzend weitere Funktionäre aus dem Weltverband oder zumindest aus dessen Dunstkreis sowie Sportgeschäftsleute - und die Schweizer Staatsanwaltschaft in den heiligen Hallen der FIFA-Zentrale auf dem Zürichberg, um Unterlagen über die dubiosen WM-Vergaben an Russland 2018 und Katar 2022 zu beschlagnahmen. Im System Blatter wurde sogar solch ein Tag als Erfolg verkauft.
Mit dieser Offensivstrategie hatte Blatter alle Skandale seit 1998 ignoriert, ausgesessen oder clever umschifft. Im Zweifelsfall wurde der Sturz von Gegnern oder auch ehemaligen Wegbegleitern zumindest billigend in Kauf genommen. Und seine ärgsten Kritiker mussten fürchten, dass der Mann, der sich die Zähigkeit einer Schweizer Bergziege bescheinigte, mit den immer gleichen Tricks und Argumenten davon kommt: Schuld sind immer andere, nie die FIFA und schon gar nicht ihr Präsident.
Wie ein alternder Herrscher ohne Anbindung an die Realität marschierte Blatter zuletzt durch sein FIFA-Reich - eine ihm ernsthaft gefährlich werdende Opposition war nicht auszumachen, da ihm - so groß der Aufschrei in Ländern wie England oder Deutschland auch sein mag - die große Mehrheit seines Fußball-Volkes dankbar folgte. Nun ist ihm offensichtlich der bislang unglaubliche Selbsterhaltungstrieb abhandengekommen.