Offenbach, Bielefeld, Dresden: Euphorie nach Fast-Pleite
Frankfurt/Main (dpa) - Die Spieler von Kickers Offenbach wurden von ihren Fans auch nach der zweiten Ehrenrunde noch nicht in die Kabine gelassen. Bei Dynamo Dresden feierte Justin Eilers seine beiden Tore gegen Bochum, als würde er an einem Krückstock gehen.
Auch für Arminia Bielefeld hat das Erreichen des DFB-Pokal-Achtelfinales eine fast schon überlebenswichtige Wirkung, denn alle drei Traditionsclubs sind zuletzt in der Dritt- oder sogar Viertklassigkeit verschwunden und standen mehr oder weniger dicht vor der Pleite. Die Zusatzeinnahmen, die ihnen ihre Überraschungserfolge vom Dienstagabend bescheren, können gerade sie besonders gut gebrauchen.
„Für Vereine in unserer Situation ist der DFB-Pokal unglaublich wichtig“, sagt Offenbachs Präsident Claus-Arwed Lauprecht. Mehr als eine halbe Million Euro an Garantie-Einnahmen hat jeder Verein in der Runde der letzten 16 sicher. Die Kickers erreichten durch das so überraschende wie verdiente 1:0 (0:0) gegen den Karlsruher SC bereits zum dritten Mal seit 2010 das Achtelfinale, aber bei dem ewigen Pokalschreck des deutschen Fußballs war die Situation in den vergangenen Monaten auch besonders prekär.
Vor einem Jahr folgten nacheinander der Zwangsabstieg aus der 3. Liga und die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. Mittlerweile haben die vielen Gläubiger des DFB-Pokalsiegers von 1970 zwar dem Insolvenzplan zugestimmt, aber für den offiziellen Abschluss des Verfahrens fehlt immer noch die Absegnung durch das Amtsgericht Offenbach.
Der große Segen für die seit 15 Spielen ungeschlagenen Kickers besteht darin, dass laut Insolvenzplan nur ein Viertel der Pokaleinnahmen an die Gläubiger fließt. Der am Dienstag von mehr als 16 000 Fans nach vorne gepeitschte Traditionsclub kann also in der Winterpause sogar noch einiges in seine Mannschaft investieren, um in naher Zukunft zumindest wieder die Rückkehr in die Drittklassigkeit zu schaffen. „Das ist eine positive Droge, wir geben hier keinen Zentimeter verloren“, sagte Trainer Rico Schmitt über den Pokal. „Was das Publikum heute wieder geboten hat, da kriegst du eine Gänsehaut.“
Auch Drittliga-Tabellenführer Arminia Bielefeld verschafft der 4:2-Sieg im Elfmeterschießen gegen Hertha BSC wieder etwas Spielraum. „Ohne das Weiterkommen wäre es nicht möglich, in der Winterpause personell etwas zu machen“, sagte der sportliche Leiter Samir Arabi. Der frühere Bundesligist will nach den traumatischen Erfahrungen dieses Sommers so schnell wie möglich in die 2. Liga zurück.
Die Arminia ist mit rund 25 Millionen Euro verschuldet, nach dem denkwürdigen Abstieg im Relegationsduell gegen Darmstadt 98 standen dem Club auf einmal nur noch 750 000 statt vier Millionen Euro an Fernsehgeldern zu. Der Etat musste um etwa die Hälfte reduziert, die Mannschaft völlig neu aufgebaut werden. „Wir konnten auf uns aufmerksam machen und zeigen, welche Stimmung in Bielefeld herrscht“, sagte Arabi aber nach dem umjubelten Erfolg gegen Hertha.
Bei Dynamo Dresden beschrieb Geschäftsführer und Club-Legende Ralf Minge die Situation kürzlich im „Kicker“-Interview so: „Wir sind zwar reanimiert und das Projekt funktioniert einigermaßen, doch wir liegen immer noch auf der Intensivstation.“ Der achtfache DDR-Meister stand nach dem Zweitliga-Abstieg ebenfalls vor einem völligen Neuaufbau, aber nach dem überraschend erfolgreichen Saisonstart sowie den beiden Pokal-Überraschungen gegen Schalke 04 und den VfL Bochum herrscht in Dresden eine neue Euphorie. „Wir werden sehr vernünftig damit umgehen“, sagte Minge über die Zusatz-Einnahmen im Pokal. „Wir haben den Markt im Griff, aber wir werden nicht in Aktionismus verfallen.“
Beide Treffer beim 2:1 nach Verlängerung gegen Bochum schoss Justin Eilers, der auch die Torschützenliste der 3. Liga anführt. Dabei war sein Einsatz am Dienstagabend fraglich, weil sich der Torjäger einen Tag zuvor bei der Hausarbeit einen Hexenschuss zugezogen hatte. „Ich denke, demnächst werde ich mir eine Putzfrau zulegen“, meinte Eilers.