Pokalausschluss für Dresden - Warnung vor Toten
Frankfurt/Main (dpa) - Dynamo Dresden muss für die Ausschreitungen seiner Fans in Dortmund bitter büßen und wird für die komplette Pokalrunde 2012/2013 ausgeschlossen. Dieses im deutschen Fußball einmalige Urteil fällte das DFB-Sportgericht in Frankfurt/Main.
„Fußball ist zur Zeit eine der größten Bühnen unserer Gesellschaft. Auf dieser Bühne suchen viele einen Platz oder eine Nische, das gilt auch für gewaltbereite Menschen. Nie war die Gewalt in unseren Fußballstadien größer als in diesem Jahr“, erklärte der Vorsitzende Richter Hans E. Lorenz nach der über fünfstündigen Verhandlung.
Der Zweitligist wehrte sich vergeblich gegen die Strafforderung des Kontrollausschusses. In der Dauerdiskussion um die Sicherheit im Fußball setzte der Deutsche Fußball-Bund (DFB) damit ein deutliches Zeichen. „Tote gab es noch nie in unseren Stadien. Wenn es so weiter geht, ist es nur eine Frage der Zeit, bis es Tote gibt“, warnte Lorenz. Gastgeber Borussia Dortmund wurde wegen der Vorfälle zu einer Geldstrafe von 8000 Euro verurteilt.
Dresden prüft eine Berufung gegen das Urteil. Das kündigte der Sportliche Leiter des Fußball-Zweitligisten, Steffen Menze, an. Binnen einer Woche müssen die Dresdner über einen Antrag beim DFB-Bundesgericht entschieden haben. „Das Urteil ist für Dynamo Dresden als Verein eine Katastrophe. Ich finde es absolut nicht akzeptabel, dass ein Exempel an uns statuiert wird“, schimpfte Dynamo-Spitzenfunktionär Menze.
DFB-Chefankläger Anton Nachreiner hatte erneut dafür plädiert, die Pokalsperre für Dresden aufrecht zu erhalten, „das wäre am leichtesten zu organisieren“. Alternativ hatte er zwei Geisterspiele im eigenen Stadion für Dynamo vorgeschlagen. Für Dresdens Anwalt Christoph Schickhardt ist der Ausschluss aus dem Cup-Wettbewerb über die ganze Saison „nicht nur finanziell enorm empfindlich, sondern auch emotional“. Er bat das Gericht und den DFB: „Wir sind auf einem guten Weg und bitten um Begleitung auf diesem guten Weg.“ Doch das Gericht ließ sich nicht zu einem milderen Urteil erweichen.
Bei der Zweitrundenpartie am 25. Oktober bei Borussia Dortmund (0:2) hatten Dynamo-Anhänger Böller und Raketen gezündet und damit mehrfach einen Spielabbruch provoziert. Zweimal musste die Begegnung unterbrochen werden, auch im Umfeld der Partie war es zu massiven Ausschreitungen gekommen. Im Signal Iduna Park hatte es 17 Verletzte, 15 Festnahmen und einen Sachschaden in Höhe von 150 000 Euro gegeben.
Der Dortmunder Polizeidirektor Peter Andres schilderte den immensen Aufwand beim Versuch, den gewaltbereiten Fans von vornherein Einhalt zu gebieten und „bürgerkriegsähnliche Zustände“ schon vor dem Anpfiff zu verhindern. „Es wäre ein Blutband entstanden - das sage ich hier so deutlich - wenn wir härtere Maßnahmen getroffen hätten“, sagte der Einsatzleiter. 1400 Polizisten hatte er aufgeboten - mehr als am Wochenende beim Revierderby Dortmund - Schalke eingeplant sind.
400 Ultra-Fans aus Dresden waren angekündigt, ein von ihnen ursprünglich geplanter Marsch vom Bahnhof bis zum Stadion verhindert worden. Auf dem Stadionvorplatz sei die Lage dann so eskaliert, so dass die Tore zur Arena über 20 Minuten geschlossen werden mussten. 4500 Dresdner Anhänger hätten sich dort versammelt, die Ordner seien „permanenter körperlicher Gewalt“ ausgesetzt gewesen.
„Warum lässt man diese Leute ins Stadion?“, fragte Schickhardt angesichts der drastischen Schilderungen. „Sie sind polizeilich nicht in der Lage, aus dieser Menschenmasse jemand rauszugreifen. Wenn wir diese 4500 nicht ins Stadion gelassen, hätte das Spiel nicht stattgefunden“, erklärte Andres. Man unterschätze den Solidaritätsgedanken der Anhänger. „Wir verfolgen diese Straftaten im Nachhinein.“ Dafür seien auch Videoaufnahmen gemacht worden, die dem Sportgericht vorgeführt wurden. Der Untersuchungsbericht der Vorfälle von Dortmund liegt nach Angaben von Richter Lorenz noch beim nordrhein-westfälischen Innenministerium.
Die Dresdner warfen Borussia Dortmund vor, Sicherheitsbestimmungen und Absprachen verletzt zu haben. „Ich möchte vorausschicken, dass wir die Fans nicht verteidigen, die Krawallmacher. Wir haben ein evidentes Interesse, dass sie hinter Schloss und Riegel kommen“, sagte Schickhardt. Er sei davon überzeugt, dass die gewaltbereiten Anhänger nicht für Fanprojekte ansprechbar seien. Dresden habe in dieser Saison alleine 1,5 Millionen Euro durch die DFB-Pokalspiele verdient. Die Pokaleinnahmen seien eine grundlegende Voraussetzungen für die wirtschaftliche Sanierung und für die Jugendarbeit des Clubs.
Schickhardt beklagte, dass Randalierer, die Flaschen auf Polizisten geworfen hätten, nicht festgenommen worden seien. Außerdem hätte der Zweitligist bis heute keine Namen der Krawallmacher, um gegen sie vorzugehen. Borussia-Organisationsdirektor Christian Hockenjos wehrte sich gegen die Vorwürfe: „Die Begegnung wurde als Risikospiel eingestuft, dem haben wir Rechnung getragen und die Sicherheitskräfte enorm aufgestockt. Es gab 150 zusätzliche Ordner.“ Ein schwaches Bild gab Dresdens Sicherheitsbeauftragter Sören Klar ab, der den Begriff von „erlebnisorientierten Fans“ verwendete. Er bemängelte eine fehlende Trennung der Anhänger beider Clubs im Stadion.