Rehden im Ausnahmezustand: „Man bekommt fast Gänsehaut“
Rehden (dpa) - Der Geruch von Gülle bleibt den Bayern-Stars erspart. Wer nach Rehden kommt, der fährt durch einen Landstrich mit intensiver Massentierhaltung und riecht das an den meisten Tagen auch deutlich.
Aber am kommenden Montag, wenn der örtliche Ballsportverein gegen den erfolgreichsten Fußballclub Deutschlands spielt, dann reist niemand in das beschauliche Dorf im Landkreis Diepholz. Stattdessen fahren fast alle Rehdener nach Osnabrück.
„Ich kenne eigentlich keinen, der nicht hinfährt“, sagt Bürgermeister Wilhelm Grelle und schiebt fröhlich hinterher: „Das werden einige Busse voll.“ Das rund 1800 Einwohner zählende Rehden ist seit dem 15. Juni im Ausnahmezustand. Seit klar ist, dass der Viertligist in der ersten Runde des DFB-Pokals gegen „so eine Attraktion“ spielt - den deutschen Meister, Pokalsieger und Champions-League-Sieger.
Als „euphorisch“ beschreibt der ehrenamtliche Bürgermeister die Stimmung im Dorf. „Bei dem Gedanken daran, bekommt man fast Gänsehaut“, sagt der 61 Jahre alte Landwirt. „Jeder hier sagt, dass das wie ein Lottogewinn oder wie ein Griff in die Wundertüte ist“.
Ein wenig traurig ist Grelle nur, dass das Spiel der Spiele nicht auf den heimischen Waldsportstätten ausgetragen wird: „Schade ist das, sehr schade.“ Der 1. Vorsitzende Friedrich Schilling habe „alles gegeben und bis zuletzt gekämpft“ für ein echtes Heimspiel, erzählt der Bürgermeister, der in zehn Minuten zu Fuß zum Platz gehen kann.
Eine Stahlrohrtribüne für 15 000 Fans und eine mobile Flutlichtanlage wären notwendig gewesen. „Aber das Risiko war dem DFB zu groß“, sagt Grelle. Die Aufklagen waren nicht zu erfüllen. Anders als vor zehn Jahren, als mit dem TSV 1860 der kleinere der beiden Münchener Profivereine anreiste und 6000 Zuschauer ein 1:5 sahen.
Daher verhandelte Schilling in den vergangenen Wochen parallel mit dem SV Werder Bremen und dem VfL Osnabrück - und entschied sich schließlich aus Kostengründen für das 55 Kilometer entfernte Stadion des Drittligisten. Dadurch wurde auch ein live übertragenes Flutlichtspiel möglich: Am Montagabend spielt der BSV Schwarz-Weiß nun vor mehreren Millionen Menschen im Fernsehen (ARD und Sky).
Ohne den umtriebigen Schilling gäbe es keine Regionalliga in Rehden und natürlich auch kein Bayern-Spiel. Der Unternehmer ist der Motor des BSV. Eigentlich ist die vierte Liga ja schon ein paar Nummern zu groß für den kleinen Verein und die kleine Gemeinde. „Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass wir Regionalliga spielen“, sagt der freundliche Bürgermeister. Der BSV Schwarz-Weiß ist halt ein Dorfverein.
Wegen der großen Nachfrage nach Tickets für die Pokalpartie waren zwischenzeitlich sogar die Telefonleitungen zusammengebrochen. Und die Spieler des BSV verdienen zwar mit Fußball auch Geld, aber nicht nur. „Wir trainieren nur abends“, erklärt Trainer Predrag Uzelac. Bis auf die Studenten im Team „arbeiten alle acht Stunden“. Manche bei Sponsoren oder in Unternehmen von Schilling, der mit Jobs auch ehemalige Profis wie Francis Banecki aufs platte Land gelockt hat.
Motivationsprobleme in der Vorbereitung auf die neue Saison hatte der kroatische Coach verständlicherweise überhaupt nicht. „Jeder will dabei sein“, sagt der in Cloppenburg lebende Uzelac, der wie Bürgermeister Grelle die Euphorie in der gesamten Region tagtäglich erlebt. „Es ist seit Wochen unglaublich. Alle sprechen über das Spiel“, sagte der Coach: „Es gibt nur ein Thema.“ Zumindest bis zur kommenden Woche, wenn die Rehdener aus Osnabrück zurück sind, die Ruhe zurückkehrt und die Landwirtschaft wieder das wichtigste Thema wird.