Tuchel bringt BVB „auf tollen Weg“ - Titelträume erlaubt
Augsburg (dpa) - Dankbar umarmte Thomas Tuchel jeden seiner Dortmunder Pokalgewinner auf dem Rasen der Augsburger Arena. Das sehr reife 2:0 (0:0) der Borussia beim widerspenstigen FC Augsburg war der finale Nachweis für eine bemerkenswerte erste Saisonhälfte unter dem neuen Trainer.
Dieser hat dem BVB nach sieben insgesamt tollen Jahren unter Jürgen Klopp zu Weihnachten neue Träume von Titeln und großen Fußballabenden auch in Europa beschert. Der Stilwandel von Klopps Überfallfußball zu Tuchels kontrolliertem Fußball mit Hirn und Herz greift.
„Es fühlt sich gut an“, schwärmte Tuchel noch vor der Viertelfinal-Auslosung, die dem Vorjahresfinalisten zwar nicht das gewünschte Heimspiel, aber auch keine angsteinflößende Aufgabe beim VfB Stuttgart einbrachte.
Ein Fazit vor dem letzten Bundesliga-Hinrundenspiel in Köln mochte der 42-Jährige eigentlich gar nicht ziehen, tat es aber in Anbetracht der Ereignisse dann gut gelaunt doch: „Wir spielen in allen drei Wettbewerbern eine gute Rolle. Die Mannschaft zeigt Charakter. Wir haben uns auf einen tollen Weg begeben.“ Wohin?
Zumindest in den Cup-Wettbewerben - Europa League und DFB-Pokal - erscheint alles möglich für den BVB, der noch zu Weihnachten 2014 in tiefer Depression steckte; Tabellen-17. nach der Hinrunde. 30 Punkte trennten die Borussia damals vom Herbstmeister Bayern München, zwölf Monate später sind es lediglich fünf. Als Tabellenzweiter ist Minimum ein Comeback 2016/17 in der Champions League programmiert.
Aber Tuchel setzt dem BVB, seiner Mannschaft und auch sich selbst keine Grenzen nach oben. „Das Wichtige ist, dass wir uns nicht limitieren in unseren Gedanken“, sagte er nach den 90 Minuten in Augsburg, die ihn beeindruckt hatten. „Dass es sich so dominant und verdient anfühlt, ist eine absolute Topleistung“, schwärmte er. Selbst FCA-Kollege Markus Weinzierl reihte sich unter die Gratulanten ein: „Wir sind gegen eine Top-top-Mannschaft ausgeschieden.“
Im 29. Pflichtspiel der Saison - so viele hat kein anderer Bundesligist bestritten - wirkte die Borussia immer noch frisch. Und der BVB agierte auch ohne den einmal mehr verletzten Nationalspieler Marco Reus sehr abgeklärt. „Es sah nicht so spektakulär aus wie sonst“, räumte Abwehrspieler Marcel Schmelzer ein. Dennoch agierten die Dortmunder souverän. Gerade in der ersten Spielhälfte sah auch Tuchel ein „zähes und statisches Spiel“ gegen einen sich da noch kraftvoll wehrenden FC Augsburg, dem das neue Selbstvertrauen anzumerken war.
Erst nach der Pause ging die Post ab. Und Augsburg hatte in einer Szene sogar die Chance zur Überraschung. BVB-Torwart Roman Bürki parierte jedoch gegen FCA-Torjäger Raúl Bobadilla (56. Minute). „Wenn Bobadilla effektiv ist, wäre vielleicht etwas möglich gesehen. Das 1:0 brauchst du als Außenseiter“, kommentierte Weinzierl. Danach entschieden die „brutalen guten Einzelspieler“ des BVB den Pokalkampf, wie der Augsburger Trainer resümierte.
Binnen fünf Minuten schlugen Pierre-Emerick Aubameyang (61.), der in seinem 26. Pflichtspiel den 27. Saisontreffer erzielte, sowie der sehr spielfreudige Henrich Mchitarjan (66.) zu. Das Offensivduo ist für den BVB eine Erfolgsgarantie. Verletzungen wären demnach ein Alptraum für die hohen Dortmunder Ambitionen. „Für jeden, der jetzt noch im Wettbewerb dabei ist, ist das Ziel Berlin“, sagte Bürki.
Der insgeheime Finalwunsch der Augsburger hat sich erledigt. „Ich war noch nie in Berlin, Augsburg war noch nie in Berlin. Das wäre die nächste Geschichte gewesen, die wir hätten schreiben können“, bemerkte Mittelfeld-Routinier Daniel Baier frustriert.
Der Blick beim FCA, der zu einem dritten großen Sieg in kürzester Zeit nach der Sensation in der Europa League bei Partizan Belgrad (3:1) und in der Liga gegen Schalke (2:1) nicht fähig war, ging auch rasch nach vorne auf die letzte Aufgabe beim Hamburger SV. Weinzierl: „In der Bundesliga sind wir über dem Strich, das wollen wir auch zu Weihnachten sein.“