Albanien feiert - Diplomatenpässe zur Belohnung
Lyon (dpa) - Die größte Party ihrer Fußballgeschichte lassen sich die Albaner nicht verderben. Die Turnierneulinge bejubeln das 1:0 gegen Rumänien zum Vorrundenabschluss schon beinahe wie einen Titelgewinn.
Die trübe Aussicht auf lange Tage des Wartens drückt keineswegs die Stimmung. Auch wenn wohl erst am Mittwoch eine Entscheidung über den Einzug ins EM-Achtelfinale fallen wird.
Mit lauten Gesängen enterten der Kölner Mergim Mavraj und seine Teamkollegen tief in der Nacht den Teambus zur Abfahrt aus dem Stadion, nachdem sie sich vorher unter ohrenbetäubendem Lärm von zigtausenden mitgereisten Fans in der Arena hatten feiern lassen.
„Dieser Erfolg ist so wichtig für all die albanischen Menschen in der ganzen Welt. Wir können uns nur schwer vorstellen, wie wertvoll“, bekannte Mavraj nach dem ersten Sieg der albanischen Fußball-Historie bei einer Endrunde aufgeregt. Euphorisiert bilanzierte er: „Wir haben nicht elf Spieler auf dem Feld, sondern zehn Millionen.“
Als Anerkennung versprach Albaniens Ministerpräsident Edi Rama den Profis spontan Diplomatenpässe. Das habe er dem Fußball-Verbandschef Armand Duka in einem Telefonat kurz nach dem Spiel zugesagt, hieß es. Solche Dokumente erhalten sonst nur hochrangige politische Amts- und Mandatsträger. Obendrein genehmigte die Regierung der Mannschaft eine Gesamtbelohnung von einer Million Euro.
Gesellschaftlich habe der sportliche Erfolg in Lyon einen immensen Stellenwert, urteilten Spieler, nationale Medien und Politiker übereinstimmend. „Unser Land ist von so vielen Negativ-Schlagzeilen gekennzeichnet. Das macht mich unheimlich stolz, dass wir den Menschen ein Lächeln schenken konnten“, sagte Mavraj.
Albaniens Ministerpräsident Rama postete fast im Stundentakt neue hochemotionale Einträge bei Facebook, fast alle versehen mit Herzchen-Smileys. Der Sieg sei „beispiellos in unserer Geschichte“, schrieb Rama. Der Privatfernsehsender TV Klan stellte fest: „Darauf hat Albanien 68 Jahre gewartet.“
Wie lange die Hochstimmung anhält, hängt extrem von den Ergebnissen in den anderen Gruppen ab. Nur wenn die Konkurrenz mitspielt, könnte es der EM-Neuling unter die vier besten Gruppendritten schaffen, was Voraussetzung wäre fürs Weiterkommen. „Das ist schwierig, so lange zu warten. Aber wir müssen dran glauben!“, kommentierte Mittelfeldprofi Ermir Lenjani vom FC Nantes. „Wir werden die Spiele anschauen und hoffen und bangen. Wir hätten das Weiterkommen verdient, auch wenn wir da sichereinen superstarken Gegner bekommen.“
Der deutsche Nationalverteidiger Shkodran Mustafi, selbst Sohn albanischer Eltern, war nach dem durch Armando Sadiku vom FC Lugano herausgeschossenen Erfolg einer der ersten Gratulanten. „Ich hoffe, sie schaffen es unter die letzten 16“, twitterte er unmittelbar nach Abpfiff am Sonntagabend. Im Stadion selbst hatten Mavraj & Co. zu diesem Zeitpunkt längst die La-Ola-Welle angestimmt. „Wir haben etwas Historisches geschafft. Es war schon historisch, es hierher zu schaffen, jetzt haben wir auch noch drei Punkte gewonnen“, bemerkte Arlind Ajeti vom italienischen Club Frosinone Calcio.
Nun allerdings müssen die Albaner abwarten. Und weitertrainieren. Ohne zu wissen, ob sie überhaupt noch mal ran dürfen bei dieser EM. „Wir werden uns vorbereiten, als wenn wir am Freitag oder Samstag spielen würden“, versicherte Trainer Gianni De Biasi. Abends stünden dann gemeinsamen Fernsehabende mit Live-Fußball an, berichtete Lenjani. „Wir warten entspannt, nicht voller Neugier. Denn alles, was jetzt kommt, ist für uns ein totaler Bonus“, sagte Mavraj. Coach De Biasi versprach: „Wenn wir in diesem Turnier bleiben, dann werden wir andere Mannschaften, auch viel stärkere, in Schwierigkeiten bringen!“