Andreas Möller spielt besondere Rolle im ungarischen Natioalteam
Deutschlands Europameister Andreas Möller spielt eine besondere Rolle als Co-Trainer beim ungarischen Nationalteam
Bordeaux. Die Unterscheidung zwischen Chef- und Co-Trainer fällt nicht allzu schwer. Während Bernd Storck sich in einen anthrazitfarbenen Anzug hüllt, erscheinen Andreas Möller und Holger Gehrke in knallgrünen Shirts am Spielfeldrand. Trotzdem hat das Trainer-Trio der ungarischen Nationalmannschaft eine harmonische Jubeltraube gebildet, als vor vier Tagen die 2:0-Sensation gegen Österreich glückte. Was die Magyaren mitsamt ihrem deutschen Helferstab in die günstige Situation bringt, dass womöglich schon ein Remis gegen Island am Samstag (18 Uhr/ARD) in Marseille langt, um das Achtelfinalticket zu lösen. „Natürlich sind wir alle überglücklich, aber die Gruppe bleibt schwierig“, hat Möller ausgerichtet.
Was zwar floskelhaft klang, aber der 48-Jährige weiß um die beschränkten Möglichkeiten eines Auswahlteams, zu dem der gebürtige Frankfurter, aufgewachsen im Stadtteil Sossenheim, vor acht Monaten fast wie die Jungfrau zum Kinde kam. Als Storck vor den Playoff-Spielen eine „Vertrauensperson“ suchte, fiel ihm Möller ein, mit dem er Ende der 80er Jahre bei Borussia Dortmund zusammengespielt hatte. Die beiden sind bei ihrer Frankreich-Mission häufig im Gespräch anzutreffen, und ihre Denke ähnelt sich. „Wir brauchen Herz und Leidenschaft“, meint Möller, „die meisten Gegner haben bessere Individualisten.“
Anders wäre es nicht möglich gewesen, dass sich Bundesliga-Randfiguren wie Adam Szalai, Zoltan Stieber oder Laszlo Kleinheisler zu Heldengestalten aufschwangen. Oder der schon 37 Jahre alte Stratege Zoltan Gera glänzte, der immerhin seine langjährige Erfahrung aus der Premier League einbringt. Was bei den Ungarn die große Ausnahme ist. „Unsere Klubs spielen international fast keine Rolle. Die schaffen es meist nicht einmal in die Gruppenphase der Europa League“, hat Storck in einem Interview angemerkt.
Der 53-Jährige will eine lange in der Versenkung verschwundene Nationalmannschaft dauerhaft nach vorne bringen. „Nach der EM steht schon wieder die WM-Qualifikation für Russland an. Die Teilnahme hier soll nicht nur eine Momentaufnahme sein.“ Und Möller ergänzt: „In Ungarn ist eine Aufbruchsstimmung zu spüren. Das Turnier weckt das Interesse der Jugendlichen und Kinder.“ Speziell der Storck-Assistent möchte aber dieser Tage seinen Beitrag nicht überhöhen. „Die Jungs müssen das hier umsetzen. Ich bin nur hinten dran.“
Trotzdem zieht er vornedran. Die Aufgabenliste ist lang: Vorbilder schaffen, Strukturen verbessern, Aufklärung betreiben. Er ist froh über das Vertrauen, das ihm der ungarische Verband bis 2018 übertrug, nachdem sein Wunsch, beim Deutschen Fußball-Bund eine Jugendmannschaft zu übernehmen, nicht in Erfüllung ging. Aber dazu war seine Erfahrung als Trainer, nur vor fast zehn Jahren unentgeltlich beim Oberligisten Viktoria Aschaffenburg erworben, zu bescheiden und eine Funktion als Manager des damaligen Drittligisten Offenbacher Kickers nicht Empfehlung genug.
Bei dieser EM blickt die internationale Presse dem 85-fachen Nationalspieler gleichwohl mit viel Respekt entgegen, weil Möller immerhin einmal den Coupe Henri-Delaunay in die Höhe reckte. 1996 im Londoner Wembleystadion. Das Finale gegen Tschechien verpasste er zwar gesperrt, aber unvergessen bis heute, wie dreist er damals beim Halbfinale gegen England im Elfmeterschießen den Ball gegen David Seaman unter die Latte jagte. Vielleicht trotz der Teilnahme an drei Weltmeisterschaften und der vielen Vereinstitel sein größter Moment. Die EM-Bühne, das findet Möller, stellt für ihn etwas Besonderes dar: „Es ist eine tolle Geschichte, dass ich noch mal als Trainer zurückkommen darf.“
Vielleicht trägt er deswegen nach einem Spiel artig wie alle anderen den feinen Ausgehanzug.