Auch Mor nutzt der Türkei wenig: Vorrunden-Aus

Lens (dpa) - Türkisch für Anfänger: Die Seele seiner Nation hat Borussia Dortmunds neues Juwel Emre Mor bei der Fußball-EM im Intensiv-Kurs kennengelernt.

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Der Gefühlswirbel zwischen Auftaktdepression und großer Achtelfinal-Hoffnung erlebte sein bitteres Ende, als Irlands 1:0 gegen Italien noch das schon sicher geglaubte Weiterkommen der Türken verhinderte.

Da hatte Nationalcoach Fatih Terim den erst 18 Jahre alten Teenager Mor nach dem 2:0 gegen Tschechien im letzten Gruppenspiel am Dienstag gerade erst zum „Retter der Türkei“ ausgerufen. Für einen Moment war das Vertrauen der türkischen Nation in die zuvor abgeschriebene Mannschaft wieder hergestellt. Nur 24 Stunden später kam die nächste Enttäuschung: Die Türkei muss wie zuletzt vor 20 Jahren nach einer EM-Vorrunde heim.

„Wenn wir nicht weiterkommen, wäre ich richtig frustriert“, hatte Terim am Dienstag nach dem erstem EM-Sieg noch gesagt. Das war die türkische Fußballwelt für einen Tag wieder in Ordnung. „Wir haben all unsere Probleme überwunden mit diesem Sieg“, befand Terim, der schon am Montag noch zu Tode betrübt und tief gekränkt gegen die heftige Kritik aus dem eigenen Land gewettert hatte. „Die verrückten Türken sind zurück“, schrieb „Fanatik“ und sah in Mor bereits den „türkischen Messi“ - die Turnier-Entdeckung der Türken.

„Er ist unsere schönste Blume, wir müssen ihn hegen und pflegen“, dichtete Torschütze Burak Yilmaz, der mit seinem Tor (10. Minute) nach klasse Vorarbeit des kleinen Mor der Türkei früh den Weg geebnet hatte. Immer, wenn es im türkischen Offensivspiel gefährlich wurde, war der Neu-Dortmunder beteiligt. Nahezu furchtlos startete der gerade mal 1,68 große Floh seine Tempoläufe. „Ich bin wirklich tief beeindruckt von ihm. Es war die zentrale Entscheidung, ihn spielen zu lassen“, jubelte Terim. Der charismatische Nationalcoach der Türkei war sich gar sicher: „Er wird noch eine große Verstärkung für uns.“

Auch die Teamkollegen lobten Mor in den höchsten Tönen. Sein künftiger Dortmunder Mitspieler Nuri Sahin etwa befand: „Er hat Qualitäten, die wir sonst nicht haben im Spiel.“ Bayer Leverkusens Hakan Calhanoglu, der nach dem bitteren 0:3 gegen Spanien für Mor aus der Startelf geflogen war, meinte: „Emre ist sehr talentiert und sehr wichtig für uns. Wir werden ihm helfen auf seinem Weg.“

„Ich bin erst 18 und zum ersten Mal auf diesem Level“, sagte der in Dänemark geboren und aufgewachsene Mor, der für rund 9,5 Millionen Euro vom FC Nordsjaelland zu Borussia Dortmund wechselt. Mit der türkischen Gefühlswelt muss auch er erst noch klar kommen. „Das habe ich so vorher auch noch nie erlebt. Ich finde das nicht unbedingt gut, aber so ist Fußball eben“, sagte Mor noch unter dem Eindruck der heftigen Reaktionen in der Türkei auf die zuvor enttäuschenden Leistungen bei der EM beim 0:1 gegen Kroatien und dem 0:3 gegen Spanien. Letztlich waren diese ausschlaggebend für das Achtelfinal-Aus des Tabellendritten der Gruppe D, das am Mittwoch durch Irlands 1:0 gegen Italiens B-Elf besiegelt wurde.

Neben den Emotionen muss sich Mor auch noch an die Sprache seiner Kollegen gewöhnen. „Er muss noch ein bisschen Türkisch lernen“, verriet Calhanoglu. Auch Mor gestand: „Ich verstehe ein bisschen was, kann aber noch nicht so gut sprechen.“

Vielleicht sind die eher rudimentären Kenntnisse der Muttersprache seines Vaters derzeit ganz gut für das Top-Talent. Die Kritik, die auf die türkischen Spieler vor dem Tschechien-Spiel eingeprasselt war, mit Spott oder Häme zu beschreiben, wäre beschönigend formuliert. „Wir sind heftig kritisiert worden. Psychologisch war das sehr schwierig“, sagte Nationalcoach Terim. „Mit dem Sieg ist unser Selbstbewusstsein aber wieder stark gestiegen.“ Ein Sieg, der am Ende wertlos war. Trotz der Turnier-Entdeckung Mor.