DFB Auferstanden aus den Ruinen des DFB
Reinhard Grindel ist seit 55 Tagen Präsident und seit einer Woche nicht mehr im Bundestag
Hamburg. „Wer ist das denn?“, fragten sich die Journalisten, als bei der WM vor zwei Jahren beim DFB-Grillabend in Brasilien ein Mann auftauchte, der bis dato in der Bekanntheitsskala des deutschen Fußballs weit unten stand. Am Dienstag bekam Reinhard Grindel seinen Auftritt im Medienzentrum in Evian noch vor Bundestrainer Joachim Löw — als neuer DFB-Präsident und Chef der deutschen Fußball-Equipe in Frankreich.
Noch ganz auf dem Level des Politikers lobte Reinhard Grindel erst einmal die Franzosen im beschaulichen Evian, die seine Mannen herzlich empfangen hätten. „Wer für Geschichte einen Sinn hat, war schon berührt, als die französischen Kinder die Namen unserer Spieler gerufen haben.“
55 Tage ist Reinhard Grindel als DFB-Präsident im Amt. Noch bis vor einer Woche war er im Hauptberuf Bundestagsabgeordneter im Wahlkreis Rotenburg/Wümme, den er zweimal direkt gewonnen hatte. Wer Grindel als Politiker erlebte, sah einen ruhigen und zurückhaltenden Christdemokraten, der oft unnahbar und verschlossen wirkte — so, wie Journalisten Politiker nicht mögen. Dabei kennt der Unionschrist die Mechanismen des Journalismus aus eigener Erfahrung. Als studierter Jurist hatte der in Hamburg geborene Grindel zunächst als Hörfunk- und Zeitungsjournalist gearbeitet, bevor er Anfang der neunziger Jahre das Metier wechselte. Beim ZDF war er schnell Hauptstadt-Studioleiter und anschließend in gleicher Funktion für den Sender in Brüssel tätig gewesen, ehe er 2002 für die Christdemokraten über die Landesliste in den Bundestag einzog.
Bis vor fünf Jahren war Reinhard Grindel im deutschen Fußball ein Unbekannter. In Grindels Vita wird er zwar auch als aktiver Fußballer des SC Viktoria Hamburg ausgewiesen, was er gerne mit einem Lächeln quittiert, denn tatsächlich war er nur bis zur A-Jugend aktiv.
Seine Liebe zum Fußball entzündete sich in der Provinz: Nicht, wie viele Medien schreiben, bei der WM 2006. Dass er an der Realisierung des Basiscamps von Trinidad und Tobago in Rotenburg entscheidend beteiligt gewesen sei, quittiert Reinhard Grindel auch mit einem Lächeln. War er nämlich nicht. Aber als Bundestagsabgeordneter war er stets präsent und so lernte er Karl Rothmund kennen, damals wie heute Präsident des Niedersächsischen Fußballverbandes. Und damit begann die Funktionärskarriere des Politikers, der zuvor beim fünftklassigen Rotenburger SV einige Jahre im Vorstand gesessen und offiziell als Pressewart fungierte. Kein Amt, um Karriere zu machen.
Wohl aber über den Fußballverband: 2011 übernahm Reinhard Grindel das Amt des Vize-Präsidenten im niedersächsischen Verband. Damit war er auf dem politischen Fußball-Parkett, auf dem sich der gelernte Journalist und aktive Politiker bestens präsentierte. Als juristischer Berater und als Diplomat. Schatzmeister des DFB, das war 2013 zwar kein naheliegendes Ehrenamt, aber ein Einstieg in höhere Weihen. Irgendwer hatte ihn schon damals beim Grillabend in Brasilien als Nachfolger von Wolfgang Niersbach ausgerufen, was Grindel müde belächelte. Doch nach dem Rücktritt von Wolfgang Niersbach im Herbst vergangenen Jahres war einer als Nachfolger gefragt, der weder den Stallgeruch aus der DFB-Zentrale, noch Leichen aus dem Sommermärchen im Keller hatte. Am 15. April wurde Grindel beim DFB-Bundestag gewählt. „Er hat seither noch keinen Fehler gemacht“, lobt ihn der ehemalige DFB-Pressesprecher und Fußball-Insider Harald Stenger.
Reinhard Grindel hat nämlich schnell gelernt: Den klaren Worten des Politikers folgen die diplomatischen Töne des Fußball-Präsidenten. „Natürlich möchten wir als Weltmeister um den Titel mitspielen, aber lassen sie uns mal ganz sachte in das Turnier starten - es wäre schon gut, gegen die Ukraine zu gewinnen“, sagte Grindel zu seinen Erwartungen an Team und EM.
Bei politischen Fragen kommt aber auch der Politiker durch: Es gebe keinen Grund für deutsche Fans, nicht nach Frankreich zu reisen, er habe Informationen, dass derzeit den deutschen Sicherheitsbehörden keinerlei Erkenntnisse über eine Gefährdungslage vorliege. Als Politiker war Reinhard Grindel nämlich keiner, der den Finger in die Luft streckte, um zu spüren, woher der Wind kommt, den er selbst verursacht hat.