Azubi Bender macht Gesellenstück - Löw verblüfft
Danzig (dpa) - Auf der Bank sprangen alle auf, der Puls bei Joachim Löw und den Reservespielern raste - nur Lars Bender behielt beim größten Moment seiner Fußball-Karriere die bayerische Bierruhe.
„Das Spiel stand auf des Messers Schneide, aber der macht das Tor mit einer Seelenruhe“, bemerkte der Bundestrainer beeindruckt und baff nach dem 2:1-Siegtor des Aushilfsverteidigers gegen Dänemark.
Wieder einmal hatte Löw ein glückliches Händchen bewiesen, als er den gelernten Mittelfeldspieler für den gesperrten Jérome Boateng die rechte Abwehrseite anvertraute. Beim ersten Einsatz in der Startelf betrat der 23-jährige Bender das „Neuland“ mit Mut und Willenskraft. „Ich bin froh, dass ich meinen Job gut erledigen konnte“, sagte er.
Gut? Sehr gut! Natürlich hatte er in der Rückwärtsbewegung hin und wieder Probleme. Und beim 1:1 von Michael Krohn-Dehli konnte er beim Eckball nicht die Kopfballvorlage des ihm zugeteilten Dänen-Brechers Nicklas Bendtner vereiteln. „Ich habe mich riesig geärgert“, bemerkte Bender - aber ansonsten war es ein einziger Freudentag für ihn.
Sein erstes Tor, „ein absolut wichtiges“, im neunten Länderspiel war die Krönung eines couragierten Auftritts, den er am Montag als Stargast der DFB-Pressekonferenz mit überlegten und auch witzigen Aussagen fortführte. „Es war eine Riesengeschichte für mich.“
Vor allem dieses 2:1 nach Zuspiel von Mesut Özil und einem Sprint vom eigenen Strafraum bis zum gegnerischen Tor. „Ich habe den Raum gesehen und gedacht, hoffentlich reicht's mit der Kraft. Dass mir der Ball vor die Füße rollt, war Schicksal“, schilderte Lars Bender die Schlüsselszene und scherzte: „Mir blieb nichts anderes übrig, als den Ball reinzuschießen. Ich hätte 80 Meter wieder zurücklaufen müssen.“
„Kompliment! Vor diesem Jungen muss man einfach den Hut ziehen“, lobte Teamkollege Sami Khedira. Nicht nur sein Zwillingsbruder Sven, der in der Turniervorbereitung den Sprung in den 23-Mann-Kader nicht geschafft hatte, übermittelte Lars gleich Glückwünsche. „Natürlich explodiert das Handy nach so einem Spiel. Jeder freut sich für mich.“
Mit Sven, dem Dortmunder Meister und Pokalsieger, telefoniert Lars täglich. „Schon am ersten Tag unserer Trennung im Trainingslager in Südfrankreich hat er gesagt, dass er mir alles Glück dieser Welt wünscht. Wir freuen uns über das, was der andere erreicht.“
Lars Bender hat seine eigenen EM-Erwartungen schon übertroffen, wie er ehrlich gestand. Aber zurücklehnen wird sich das Laufwunder nicht, auch wenn er wohl ahnt, dass Boateng im Viertelfinale gegen Griechenland wieder den Posten hinten rechts übernehmen dürfte. „Wichtig ist, dass der Trainer die Erkenntnis gewinnen konnte, dass er auf mich setzen kann“, bemerkte er. Die Frage zum Konkurrenzkampf mit Boateng konterte er mit einem lockeren Spruch: „Was habe ich, was Jérome nicht hat? Ich glaube, ein Tor mehr.“
Als Löw Anfang Mai in Rastatt den EM-Kader nominierte, zuckte Fernsehzuschauer Lars Bender kurz daheim auf der Couch. Schon da hatte der Bundestrainer den Mittelfeldspieler erstmals als mögliche Alternative für die rechte Verteidigerposition aufgezählt.
Heimisch will der Turnierdebütant da nicht werden - schon gar nicht im Vereinsalltag bei Bayer Leverkusen. „Das hat mir mein Trainer gleich geschrieben. Ich habe geantwortet. Das kommt nicht infrage. Ich spiele im Mittelfeld. Wenn sie Bedarf haben, sollen sie sich um einen Rechtsverteidiger bemühen“, sagte Bender - bierernst.