TV-Kritik Beckmanns kurioses Betthupferl

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Reinhold Beckmann führt durch das After-EM-Format der ARD.

Foto: dpa

Düsseldorf. Eigentlich ließ der Teaser für „Beckmanns Sportschule“, das neue After-EM-Format in der ARD, ja schon vermuten, was da auf einen zukommen könnte. Reinhold Beckmann, der alte Bonvivant, rückt im türkisen Käfer über Landstraßen und grüne Wiesen an, Tim Wiese, der Proll, rast im Lamborghini und Nico Patschinski, im Ex-Leben Fußballstar und heute Bestatter, reitet im Leichenwagen mit Totenkopf-Schaltung herbei.

Jeder Jeck ist anders, jeder hat eine Rolle. Und ist darin ab sofort so sehr gefangen, dass vor lauter Requisite und Drehbuch kein Platz mehr für spontane Regungen bleibt. Beckmann säuselt Tim Wiese an, der als Neu-Wrestler jetzt eigentlich zwei Tim Wiese ist: „Tim, vier Wochen Wohngemeinschaft in Malente, das wird unser Leben verändern, wir werden ganz neue Perspektiven entwickeln.“ Und als Zuschauer der ersten Sendung sagt man: Wetten nicht?

Es hätte ja alles ganz schön werden können, die Idee ist so schlecht nicht: Fernab vom Pariser Hochunsicherheitsparkett ins schleswig-holsteinische Malente verziehen, den „Geist“ der alten DFB-Sportschule suchen und mit Helden von einst Aktuelles beleuchten und alte Geschichten aufwärmen. Kurzum: ein Eintopf der guten Laune, als Betthupferl für den Mann, der die Gemahlin allein ins Schlafgemach hat gehen lassen.

Aber die Rechnung hat man bei der ARD ohne Allzweckwaffe Beckmann gemacht: Der 60-Jährige säuselt derart überproduziert durch die Sportschule von 70er Jahre Jugendherbergscharme auf der Suche nach Kultgeschichten, dass kaum ein Gespräch in Erinnerung bleibt. Die Gäste: Thomas Berthold gibt den kühlen Besserwisser („Wichtig waren heute die drei Punkte“), der für gute Laune eher nicht in Frage kommt und als Vegetarier auch die einbestellten Brot-Werke der Malente-Küchenfrau Erika Höpfner (seit 34 Jahren im Amt) verschmäht. Die Gute hatte Berthold 1990 ein Erkältungsbad im Hausmeisterwohnblock eingelassen und frohlockt offensichtlich noch heute über jedes Detail. Berthold erinnert sich: an nichts. Schade, eigentlich.

Und der eigentlich unschlagbar wunderbare Horst Hrubesch weiß offenbar so wenig, wie um ihn geschieht, dass er desorientiert um sich blickt — und sachlich durchhält. Vielleicht auch, weil Hrubeschs altes HSV-Vorbild Uwe Seeler einen Raum weiter den zu Bett gehenden Herbergsvater mimt. Näselnder Aufsager: „Moin moin, in meinä Spoortschulä.“ Man möchte Seeler raten, diese Rolle keine vier Wochen durchzuhalten. Wiese ist Türsteher, Patschinski ist: keine Ahnung.

Allenfalls Hrubeschs Stolz auf Boateng oder Özil, auf seine U21-Europameister von 2009, war ein emotionaler Höhepunkt des TV-Erstlings. Oder Bertholds Tiefschlag über den „bestimmt intellektuellen Austausch“ im Doppelzimmer „Rummenigge/Matthäus“ vor der WM 1986 in Malente.

Für die ersten 45 Minuten, die Montagnacht mit den Gästen Hans Meyer und Christoph Daum fortgesetzt wurden, gilt aber jener Dialog vom Beginn der Sendung. Der selbst produzierende Beckmann sagt zu Berthold: „Thomas, Du fragst dich sicher, was wir hier machen.“ Und Berthold sagt: „Das frage ich mich wirklich, Reinhold.“ Antworten wird er nicht gefunden haben. „Vier Wochen, wir wollen mal sehen, ob wir das aushalten“ sagt Beckmann. Ja, das wollen wir mal sehen.