„Brauchen ein kleines Wunder“: Dänen zeigen Respekt
Kolberg (dpa) - Ein wenig Beschwörung der legendären deutsch- dänischen Vergangenheit kann nicht schaden, dachte sich Daniel Agger, und lief vor dem Training noch einmal zu John „Faxe“ Jensen hinüber.
Der Kapitän der aktuellen dänischen Mannschaft schüttelte einem der Europameister von 1992 die Hand - beide hoffen nun gemeinsam, dass sich so etwas ähnliches wie die Sensation von vor 20 Jahren am Sonntag in Lwiw noch einmal wiederholt.
Damals in Schweden gewannen die Dänen das Finale gegen Deutschland, diesmal geht es nur um das Überstehen der Vorrunde bei der Fußball-EM. „Aber Deutschland ist auch diesmal der klare Favorit. Und die Dänen sind wieder sehr selbstbewusst und haben es in der eigenen Hand. Von daher gibt es schon ein paar Ähnlichkeiten zu 1992“, sagte der ehemalige HSV-Profi Jensen, der bei dieser Europameisterschaft als Experte für das dänische Fernsehen arbeitet.
Ein Unterschied ist allerdings ziemlich schnell herauszuhören: Die aktuelle dänische Mannschaft hat vor Mesut Özil, Mario Gomez und Co. einen wahrscheinlich noch größeren Respekt, als ihn die Helden von 1992 vor den damaligen Weltmeistern um Jürgen Klinsmann und Andreas Brehme hatten. „Ich habe schon immer gesagt: Deutschland ist die stärkste Mannschaft in dieser Gruppe und vielleicht sogar im ganzen Turnier“, sagte William Kvist vom VfB Stuttgart. „Holland zum Beispiel hat sehr, sehr gute Offensivspieler, aber keine gute Struktur. Deutschland dagegen hat wirklich alles.“
Auch Routinier Christian Poulsen, der früher bei Schalke 04 noch die ersten Karriereschritte von Özil und Manuel Neuer begleitet hat, meinte im dänischen EM-Quartier in Kolberg: „Wir haben immer noch genug Selbstvertrauen und glauben an unsere Chance. Aber das Spiel gegen Deutschland wird sehr schwierig. Wenn wir in dieser Gruppe weiterkommen wollen, brauchen wir schon ein kleines Wunder.“
Immerhin ist in dieser Gruppe noch nichts entschieden, so dass für die Dänen mindestens zwei Wege ins Viertelfinale führen könnten. Mit einem Sieg gegen Deutschland wären sie sicher weiter. Im Falle eines Unentschiedens könnten sie immer noch auf die Hilfe der Niederlande im Parallelspiel gegen Portugal hoffen. „Das Besondere an dieser Situation ist: Jede Mannschaft muss gewinnen. Die Hoffnung ist also auch bei uns noch da“, sagte Dänemarks Trainer Morten Olsen.
Das Problem ist nur, dass seine individuell ohnehin schon deutlich schwächer besetzte Mannschaft in den Tagen vor dem Deutschland-Spiel noch einige Rückschläge verkraften musste. Der Ausfall des erfahrenen Flügelstürmers Dennis Rommedahl (Muskelfaserriss) steht bereits fest, und auch die Chancen auf einen Einsatz von Niki Zimling werden immer geringer. Der Mittelfeldspieler fehlte am Freitag erneut im Training, ihn plagen seit dem Portugal-Spiel gleich drei Blessuren auf einmal: Zimling hat Schmerzen am Zeh, an der Wade und im Oberschenkel.
Das späte Gegentor zum 2:3 gegen Portugal hat ebenfalls seine Spuren am Selbstvertrauen der Dänen hinterlassen. Am Freitag schrien und alberten sie im Training herum, als gelte es so etwas wie den Geist dieser Partie zu verscheuchen. „Das Portugal-Spiel hat weh getan, aber das müssen wir jetzt aus den Köpfen kriegen“, sagte Poulsen. Wie so etwas funktioniert, könnten die Dänen zur Not bei John Jensen nachfragen. Denn die Europameister von 1992 gelten ja bis heute auch als die unangefochtenen Europameister der Lockerheit.