Cassano: Von der Herz-Operation ins EM-Finale
Kiew (dpa) - Vor acht Monaten lag Antonio Cassano mit einem Loch im Herzen in Mailand auf dem Operationstisch. Am Sonntag steht er in Kiew im Finale der Fußball-Europameisterschaft gegen Titelverteidiger Spanien.
„Ein Wahnsinn“, titeln die italienischen Sportzeitungen über die grandiose Rückkehr des skandalumwitterten Stürmers. Mit seiner Zauberflanke auf Mario Balotelli hatte der 29-Jährige Italiens 2:1-Sieg im Halbfinale über Deutschland eingeleitet.
Mit seiner unbedachten Art schadete sich der Star des AC Mailand immer wieder selbst. Zuletzt redete er sich bei der EM mit schwulenfeindlichen Äußerungen um Kopf und Kragen. „Ich hoffe, dass keine Schwulen in der Mannschaft sind“, sagte der exzentrische Süditaliener im Casa Azzurri in Krakau und löste damit einen Riesenwirbel aus. Vor eineinhalb Jahren stand seine Karriere vor dem Aus, weil er den Vereinspräsidenten von Sampdoria Genua, Riccardo Garrone, auf das Übelste beschimpft hatte. Genua warf ihn daraufhin raus. Überraschend kam der Skandal-Kicker beim AC Mailand unter.
Dort wurde er besonnener - vor allem nach seiner Herz-Operation Anfang November 2011. Auf dem Heimreise von einem Spiel in Rom hatte der 29-Jährige im Flugzeug plötzlich Seh- und Sprachstörungen. Milans Ärzte brachten ihn in die Notaufnahme. „Sie haben mir das Leben gerettet“, sagte Cassano.
Erst im Frühjahr kehrte der Star für Kurzeinsätze in die Serie A zurück. Nationalcoach Cesare Prandelli hielt trotz der Operation, des Trainingsrückstands und früherer Eskapaden an Cassano fest. Vorgänger Marcello Lippi hatte sich stets geweigert, Cassano in die Nationalelf zu berufen, weil er seine Ausraster und damit um den Teamgeist in der Squadra Azzurra fürchtete.
Abgesehen von seinem schwulenfeindlichen Geplapper benahm sich Cassano in Polen und der Ukraine vorbildlich. „Er hat für mich auf und abseits des Platzes sogar echte Leader-Qualitäten“, lobte Kapitän Gianluigi Buffon. Cassanos Begeisterung sei mitreißend. Obwohl der kleine, dribbelstarke Stürmer noch keine Kraft für 90 Minuten hat, ist er für Prandelli ein Trumpf. „Auch wenn er nur 50 Minuten spielen kann. Dann sind das 50 hochklassige Minuten“, sagte Prandelli vor dem Finale.
Im entscheidenden letzten Gruppenspiel gegen Irland machte er das befreiende 1:0. Gegen Deutschland spielte er in der 19. Minute zwei Abwehrspieler aus, drehte sich blitzschnell und flankte den Ball millimetergenau auf Balotellis Kopf. „So was kann nur er“, bedankte sich der Stürmer von Manchester City bei Cassano. Auch von Prandelli gab es Lob: „Gegen Deutschland hat er sein bestes EM-Spiel gemacht“.