Das Formbarometer der EM-Viertelfinalisten

Berlin (dpa) - Drei Spiele hat jeder Viertelfinalist bei der EM hinter sich. Genug Eindrücke für eine Einschätzung. Wo liegen die Stärken, welche Schwächen haben sich offenbart? Ein Überblick der acht Teams:

TSCHECHIEN: Die Tschechen sind eine der Überraschungen der EM. Auch ohne den verletzten Spielmacher Tomas Rosicky schafften sie den Sprung ins Viertelfinale. Vor allem die Wolfsburger Flügelzange Petr Jiracek und Vaclav Pilar trumpft in Polen bislang auf. Das Team von Trainer Michal Bilek zeichnet ein großer Zusammenhalt und Teamgeist aus. Zudem haben die Tschechen mit Petr Cech einen Weltklassekeeper im Tor. Schwachpunkt bleibt die Offensive. Altstar Milan Baros ist außer Form, ohne Rosicky fehlen die Ideen.

PORTUGAL: Genau wie der nächste Gegner Tschechien hat sich Portugal bei diesem Turnier von Spiel zu Spiel gesteigert. Auch das größte Problem bzw. Gesprächsthema, die Form von Superstar Cristiano Ronaldo, ist seit dem Sieg gegen die Niederlande keines mehr. Die Mannschaft hat enorm an Selbstvertrauen und Zusammenhalt gewonnen während dieser EM, auch personell kommt sie nahezu sorgenfrei durch das Turnier. Ein Schwachpunkt besteht allerdings immer noch: Es gibt keinen Mittelstürmer von Format. Das Team braucht zu viele Chancen.

DEUTSCHLAND: Die vor dem Turnier heiß diskutierte Defensive steht, im Mittelfeld finden sich Bastian Schweinsteiger und Sami Khedira immer mehr zu einem effektiven Duo. Und in der Spitze ist Mario Gomez der neue Knipser. Gegen die Griechen sind die deutschen Titelaspiranten klarer Favorit. Bundestrainer Löw hat nach der Maximalausbeute in der Vorrunde in den Laufwegen, der Abstimmung und der Chancenverwertung noch das größte Steigerungspotenzial ausgemacht. Spielmacher Mesut Özil sucht noch den großen Zauber, er werde aber noch „explodieren“.

GRIECHENLAND: Die Mannschaft von Trainer Fernando Santos fühlt sich vor dem Viertelfinale gegen Deutschland in der Rolle des Außenseiters ähnlich wohl wie beim überraschenden EM-Triumph von 2004. „Von nun an gibt es für uns nichts mehr verlieren“, sagte Schalkes Kyriakos Papadopoulos. Von großer Anspannung war auf dem Trainingsgelände in Legionowo in den vergangenen Tagen deshalb wenig zu spüren. Selbst die Ausfälle der gesperrten José Holebas und Georgios Karagounis können die Vorfreude auf die Partie in Danzig nicht trüben.

SPANIEN: Der Titelverteidiger präsentiert sich bislang wie das Wetter: Tiefs und Hochs wechseln sich ständig ab. Der Welt- und Europameister tritt bei diesem Turnier längst nicht so souverän wie bei seinen bisherigen Triumphen auf. Selbst das Glanzstück Mittelfeld leistet sich ungewöhnliche Abspiel- und Leichtsinnsfehler. Trainer Vicente del Bosque verblüfft zudem durch seltsame Taktikentscheidungen. Mal ohne klassischen Mittelstürmer, dann wieder mit. Spanien muss konstanter spielen und sich steigern.

FRANKREICH: Das Zutrauen in das starke Mittelfeld um Franck Ribéry und Samir Nasri hat durch den schwachen Auftritt beim 0:2 gegen Schweden gelitten. Zumindest Torwart Hugo Lloris erwies sich erneut als sicherer Rückhalt. Ohne eigenen Turniertreffer blieb Stürmer Karim Benzema hingegen weiter glücklos. Nach einem ordentlichen Start ins Turnier zeigte Innenverteidiger Philippe Mexès eine ganz schwache Leistung und ist zudem im Viertelfinale gegen Spanien gesperrt. Arsenals Laurent Koscielny steht als Ersatz bereit.

ENGLAND: Der überraschende Gruppensieg wurde dank des überragenden Mannschaftsgeistes perfekt gemacht. Englands neuer Coach Roy Hodgson sorgt für tolle Stimmung. Das Team tritt als Einheit auf und macht so spielerische Defizite wett. Auch Kapitän Gerrard spielt bislang ganz stark. Bei aller Kampfkraft und vollem Einsatz fehlt der Mannschaft gegenüber den Top-Teams jedoch das spielerische Format. Viele technische Mängel sind kaum zu übersehen, auch in der Abwehr haben die Engländer teils große Probleme.

ITALIEN: Der Einzug ins Viertelfinale hat den Azzurri Selbstvertrauen gegeben. Und nach Überzeugung von Trainer Cesare Prandelli ist dies das einzige, was dem Team noch für ein erfolgreiches Abschneiden bei der EM fehlte. Die Sturmmisere ist überwunden, alle drei Angreifer haben schon getroffen. Im Mittelfeld ist der geniale Regisseur Andrea Pirlo in Top-Form. Einzig die Abwehr bleibt das Sorgenkind, zumal Innenverteidiger Giorgio Chiellini mit einer Zerrung im Oberschenkel ausfällt.