EM-Tagebuch Einwurf - Markus Merk über Sinn und Unsinn der neuen EM-Regeln

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Markus Merk.

Foto: Frank May

Die Qualität der Unparteiischen ist generell bei einer EM höher als bei einer WM, weil alle über internationale Erfahrung in Europas Top-Wettbewerben verfügen. Diesmal gibt es aber zwei Besonderheiten. Bei nun 51 Spiele müssen mehr Referees eingesetzt werden: Insgesamt 18. Da steigt automatisch die Streuung bei der Leistung.

Dazu kommt, dass zwei der zum Turnier neu eingeführten Regeln die Aufgabe der Schiedsrichter keinesfalls einfacher machen: Das erste Beispiel ist die Abschaffung der sogenannten Dreifachbestrafung, die überall als Revolution euphorisch gefeiert worden ist. Diese Regel endlich zu verändern, war zwar richtig — und übrigens bereits nach der EM 2004 das einhellige Anliegen aller Trainer und Schiedsrichter bei der gemeinsamen Nachbesprechung des Turniers. Aber Vorsicht: die Neuregelung hat einen Haken. Denn eine Notbremse im Strafraum soll nach wie vor zwingend mit Elfmeter, Roter Karte und folgender Sperre geahndet werden, wenn der betreffende Spieler keine Chance hatte, den Ball zu spielen und so eine Torchance verhindert. Also auch, wenn er einen Gegner dabei einfach kurz festhält.

Nur, wenn der Spieler im Zweikampf die klare Absicht hatte, den Ball zu spielen, dabei einfach einen kurzen Moment zu spät kommt und daher ein Foul begeht, soll der Schiedsrichter künftig „nur“ Gelb und Elfmeter geben — eine Verwarnung und die Bestrafung dieser Aktion mit der allergrößten denkbaren Torchance soll dann ausreichen.

Eine andere Anweisung, die Schiedsrichtern keinen Spaß macht, ist jene, dass verletzte Spieler, die nur etwa 20 bis 25 Sekunden und nicht länger behandelt werden, das Feld nicht mehr verlassen müssen. Im Prinzip ist das sinnvoll — oft dauert ein Zeitspiel noch länger, wenn Fußballer nach der Behandlung auch noch 30, 40 Meter vom Feld gehen. Umgekehrt hatte man durch den Zwang, dass ein von Betreuern behandelter Spieler zwingend vom Platz muss, das andauernde Simulieren schon wirksam eingedämmt. Ich hoffe, dass man durch die neue Regel nicht in alte Handlungsmuster zurückfällt — und der Schiedsrichter noch Debatten führen muss, ob jetzt 20 Sekunden um waren oder nicht.

Neu ist zudem, dass Schiedsrichter nicht mehr zulassen, dass Fußballer beim Anlauf zum Elfmeter komplett abstoppen. Verlangsamen bleibt erlaubt — was Thomas Müller gerne macht, dürfte somit gerade noch durchgehen.

Gut finde ich zudem, dass die Regel abgeschafft worden ist, dass beim Anstoß der Ball zwingend nach vorn gespielt werden muss. Die meisten der anderen insgesamt 95 Regeländerungen werden die Fans kaum bemerken: Auf das Spiel hat es keinen Einfluss, ob die Eckfahnen bedruckt sind oder nicht.

Auch dass ein Spieler bis zur nächsten Unterbrechung noch den Ball spielen darf, wenn er seinen Schuh verloren hat, macht Sinn — dabei passiert ja keinem etwas.