EM 2020 Das müssen Sie zum Spiel Italien gegen Spanien wissen
London · Für viele ist das Halbfinale Italien gegen Spanien das vorgezogene Finale – so ist die Lage vor dem Giganten-Duell.
Bei strahlendem Sonnenschein und bestens gelaunt machten sich die Italiener als Erste auf den Weg zum Halbfinale nach London. An diesem Dienstag (21 Uhr/ARD und Magenta TV) und dank der fragwürdigen britischen Corona-Strategie vor 60000 Zuschauern trifft die Squadra Azzurra in Wembley auf Spanien – für Millionen Fans das vorweg genommene Endspiel der Fußball-EM. Ein Spiel, das ganze Länder elektrisiert.
Wie ist die Stimmung bei den Italienern?
Hervorragend. Das 2:1 gegen Belgien hat ordentlich Rückenwind gegeben. Dennoch gibt sich Trainer Roberto Mancini zurückhaltend: „Wir hatten kein Minimalziel für dieses Turnier, wir wollten so viel erreichen wie möglich“, sagt er. „Es sind noch zwei Partien, wir werden sehen, was passiert.“ Je weiter es im Turnier gehe, „desto schwieriger wird es“. Kapitän Giorgio Chiellini betont: „Wir haben große Lust, weit zu kommen. Wir sind stolz, Italiener zu sein. Jeder versucht, seine Nation so weit zu bringen wie möglich.“
Wie sieht es bei den Spaniern aus?
Der spanische Nationaltrainer Luis Enrique ließ es etwas ruhiger angehen. Als die Italiener am Vormittag in den Mannschaftsbus stiegen, dürfte der „Mister“ des dreimaligen Europameisters gerade sein Abschlusstraining beendet haben. Mit stylisher roter Sonnenbrille schwor er sein Team auf das Gigantentreffen in England ein. Das Ziel? „Wir alle wollen ins Finale“, sagte Enrique, dessen persönliches Duell mit Roberto Mancini große Fußballkunst verspricht.
Was spricht für Italien?
Die Bilanz von nun 32 Spielen ohne Niederlage ist beeindruckend. Spätestens bei diesem Turnier fiel zudem der Mythos der biederen, nur auf die Defensive ausgelegten Azzurri. Doch bei aller Spielfreude, die Italien nicht nur im Spiel gegen die Belgier vermittelte, die erfahrene Verteidigung ist das Herzstück des Teams. Der 36-Jährige Chiellini bildet mit Leonardo Bonucci (34) die alternde, aber bei der EM kaum zu überwindende Innenverteidigung. Chiellini war schon 2008 Stammspieler der italienischen Elf, die im Viertelfinale im Elfmeterschießen an Spanien scheiterte. Der EM-Titel im Finale am Sonntag in Wembley wäre die Krönung seiner Laufbahn.
Was ist die Stärke der Spanier?
Die Iberer haben sich nach einem mauen Start deutlich gesteigert. Das offensive 4-3-3-System lässt viele Freiheiten. Schlüsselfigur des Teams ist neben Kapitän Sergio Busquets der Teenager Pedri, der mit 18 Jahren jüngste Spanier im Kader mit einem Talent, das beim FC Barcelona schon an die ganz Großen erinnert. Dreimal profitierten die Spanier bereits von Eigentoren. Zufall? Nein. Die Spanier erzwingen mit drangvollem Spiel diese Situationen.
Wie fällt der Trainervergleich aus?
Auch wenn sie äußerlich grundverschieden wirken – auf der einen Seite der elegante Mancini, auf der anderen der mit seiner Sonnenbrille stets etwas wildere Enrique – so haben beide eine große Gemeinsamkeit. Sie haben ihre Teams zu einer Einheit geformt und ihnen ihren Stempel aufgedrückt. Enrique verzichtete bei diesem Turnier bewusst auf Spieler des mächtigen Real Madrid. Er botete etwa Sergio Ramos aus und setzte stattdessen auf viele formbare Profis anderer Vereine. „Luis Enrique, der Anführer, der eine Mannschaft aus dem Nichts erschaffen hat“, schrieb kürzlich die Zeitung „Sport“. Ähnlich trägt es sich bei Mancini zu, der die Mannschaft 2018 nach der verpassten WM übernommen hat. „Der Trainer hat uns eine Siegermentalität vermittelt. Wir gehen in jedes Spiel, um es zu gewinnen“, sagt Nicolò Barella.
Wie sieht es im Tor aus?
Auch hier setzten beide Trainer auf junge Keeper. Bei den Italienern steht der 22-Jährige Gianluigi Donnarumma vom AC Milan zwischen den Pfosten, bei den Spaniern der 24-Jährige Unai Simón von Athletic Bilbao. Diese patzte noch im Spiel gegen Kroatien, avancierte aber im Elfmeterschießen gegen die Schweiz zum Helden. Donnarumma spielt eine starke EM, kassierte erst zwei Gegentore.
Wie ist die Bilanz?
Ausgeglichen. Es ist das siebte Duell der beiden Teams bei einer EM – für jede Mannschaft stehen bisher zwei Niederlagen, zwei Siege und zwei Unentschieden zu Buche. Das letzte Duell gewann Italien vor fünf Jahren im EM-Achtelfinale.
Wie sieht es beim Personal aus?
Bei Spanien ist der Einsatz von Pablo Sarabia wegen Abduktorenproblemen eher unwahrscheinlich, für ihn könnte RB Leipzigs Dani Olmo in die Startelf zurückkehren. Italien fehlt Leonardo Spinazzola, für ihn dürfte hinten links Emerson ran.
Was ist mit den Zuschauern?
Diese werden überwiegend aus England kommen. Wegen der strikten Corona-Regeln dürfen Spanier und Italiener ohne Quarantäne nicht einreisen, Karten werden größtenteils nur an Zuschauer vergeben, die in Großbritannien leben. „Wir brauchen euch!“, twitterte der spanische Verband in Richtung der britischen Spanier.