Fußball-EM: Pleiten, Pannen und Parolen bei der Organisation

100 Tage vor der Fußball-Europameisterschaft 2012 in Polen und der Ukraine stolpern die Organisatoren in die heiße Phase der Vorbereitung.

Warschau/Lemberg. Am Ende wird immer alles gut. Das zumindest lehrt die lange Geschichte der beinahe gescheiterten sportlichen Großveranstaltungen. Und so verbreiten auch die Ausrichter der Fußball-Europameisterschaft 2012 in Polen und der Ukraine 100 Tage vor dem ersten Anstoß hartnäckig Optimismus. „Es war extrem schwierig, aber wir haben die Probleme bewältigt und moderne Straßen und Stadien gebaut“, sagt Polens Chef-Organisator Adam Olkowicz.

Wer sich dem neuen Warschauer Nationalstadion nähert, sieht schnell, dass Olkowicz maßlos übertreibt. Noch immer gleicht das Umfeld der Arena einer Großbaustelle. Doch immerhin: An diesem Mittwoch, pünktlich zum Start des 100-Tage-Countdowns, dürfen erstmals zwei Fußball-Mannschaften den Rasen betreten. Polen empfängt Portugal zum EM-Test. Es ist das Ende einer langen Leidenszeit rund um das Stadion, die symptomatisch für die Turniervorbereitungen in den Gastgeberländern ist.

Die Serie aus Pleiten, Pech und Pannen begann im Frühjahr 2011. Das Eröffnungskonzert stand kurz bevor, als Inspekteure die Treppen zu einer Fehlkonstruktion erklärten. Die Runderneuerung dauerte Monate, das für September geplante Einweihungsspiel gegen Deutschland fiel aus. Auch ein zweiter Eröffnungstermin im Dezember platzte.

Zuletzt sagten die Kontrolleure das für Anfang Februar geplante nationale Supercupfinale ab. Die noch nicht verlegten Rasenrollen waren in der Kälte des polnischen Eiswinters eingefroren.

Doch nicht nur bei den Stadien, auch beim Bau von Straßen, Bahnhöfen und Flughäfen hinkt Polen dem Zeitplan weit hinterher. Erst 20 Prozent der Infrastruktur-Vorhaben sind fertig. Zum Last-Minute-Gewaltakt entwickeln sich die Arbeiten an der Autobahn 2. Die zentrale West-Ost-Achse verbindet Berlin mit Warschau.

Dort hatte die polnische Regierung zunächst einen chinesischen Billiganbieter werkeln lassen. Das ging schief. Nun müht sich ein einheimisches Konsortium darum, die Straße zur EM wenigstens befahrbar zu machen.

Im Vergleich mit der Ukraine plagen Polen allerdings Luxusprobleme. Im Land der Kosaken gibt es überhaupt keine Autobahnen europäischen Typs. Eine Einreise über den Flughafen im westlichsten Spielort Lemberg zeigt das Ausmaß des EM-Vorbereitungsdramas. Derzeit holt die Passagiere dort ein schrottreifer Bus vom Rollfeld ab. Arbeiter wuchten das Gepäck auf einen Trecker und später durch eine rostige Luke in eine Wartehalle. Dort stapeln sich die Koffer. Förderbänder gibt es nicht.

Das Gebäude gleicht einem Provinzbahnhof aus dem 19. Jahrhundert. Es ist typisch für den Entwicklungsstand des Landes. Lembergs Bürgermeister Andri Sadovy nennt das Haus mit Türmchen ein „Architekturdenkmal“. Er lacht dabei unbeschwert, denn gleich neben dem historischen Ungetüm steht ein nagelneues Terminal. Dort, in einer lichtdurchfluteten Glas-Metall-Halle, sollen im Sommer die EM-Gäste abgefertigt werden. Dies wiederum ist ein für das Land völlig untypischer Bau. Und es bleibt die Frage: Was geschieht weiter mit den anreisenden Fans?

Bürgermeister Sadovy hat einen Plan. Vom Flughafen will er die Sporttouristen per Shuttle zum Stadion, dem zweiten Neubau der Stadt, oder in die attraktive Altstadt bringen lassen. „Wir organisieren eine Dreiecksverbindung“, erklärt er. Nur so kann es funktionieren, mit einer Art punktueller Best-of-Bedienung. Denn unübersehbar ist in Lemberg: Westlichen Gästen, die sich ohne Hilfestellung in das Gewirr der aufgerissenen Straßen in die verfallenen Plattenbausiedlungen der Vororte wagen, droht ein Kulturschock