Gar nicht so schlecht, die Albaner
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Perros Guirec. In Perros Guirec weht jetzt die albanische Flagge. Dort, in der Bretagne, hat einer von Europas Fußballzwergen sein EM-Basiscamp bezogen. Albanien ist zum ersten Mal bei einem Kontinentalturnier dabei. Als Außenseiter, klar. Doch in der Gruppe mit Gastgeber Frankreich, der Schweiz und Rumänien rechnet sich die Mannschaft des italienischen Nationaltrainers Gianni De Biasi durchaus Chancen auf die K.o.-Runde aus. Wir stellen die Albaner vor.
Das Erfolgsgeheimnis: Der Zusammenbruch der kommunistischen Diktatur zu Beginn der 1990er Jahre und dann der Krieg im Kosovo trieben viele Albaner aus der Heimat. Rund eine Viertelmillion landete in der Schweiz. Die Söhne wurden im dortigen Fußball groß, entschieden sich aber irgendwann für die albanische Nationalmannschaft, fürs Land ihrer Eltern. Oft, weil sie für die Auswahl der Eidgenossen ein bisschen zu schlecht waren. “Wer nicht zur Schweiz kann, kommt zu uns“, sagt Trainer Gianni De Biasi. Der albanische Aufschwung hat viel mit den kickenden Entwicklungshelfern aus der Schweiz zu tun. Auch Auslands-Albaner aus anderen Ländern finden sich reichlich im EM-Kader.
Das Bundesliga-Element: Zwei Spieler im albanischen Kader kommen aus dem deutschen Fußball, Verteidiger Mergim Mavraj vom 1. FC Köln und Mittelfeldspieler Amir Abrashi vom SC Freiburg. Abrashi sagt: “Es gibt mir enorm viel Kraft, wenn ich das albanische Trikot trage, das ist ein wahnsinniges Gefühl.“ Der 26-Jährige spricht mit Thurgauer Dialekt. Auch er ist in der Schweiz groß geworden, hat dort noch für die U21-Nationalmannschaft gespielt. Mergim Mavraj glaubt: “Die eine oder andere Mannschaft wird uns unterschätzen.“
Der Trainer: Gianni De Biasi hat mit der überraschenden EM-Qualifikation Historisches geschafft. Vom Staatspräsidenten bekam der Italiener den albanischen Pass überreicht, “honoris causa“, wie De Biasi kürzlich erzählte. Ehrenhalber also. Als er seinen Job Ende 2011 antrat, begann eine mühevolle Aufbauarbeit. Der Trainer reiste durch Europa und suchte starke Spieler, die das bis dahin wenig attraktive Nationalteam vorwärts bringen könnten. Er musste auch die Mentalität ändern. “Die Albaner waren es nicht gewohnt zu siegen. Es ging darum, an der Einstellung zu arbeiten und ihr Selbstvertrauen zu stärken.“ Verbandspräsident Armand Duka sagt: “De Biasi hat etwas erreicht, das undenkbar schien.“ Schon zuvor hatte es in Albanien Nationaltrainer aus großen Fußballnationen gegeben. Den deutschen Europameister Hans-Peter Briegel zum Beispiel oder den Holländer Arie Haan. Aber erfolgreich waren sie auf Dauer nicht. Über Gianni De Biasi sagt Mannschafts-Leader Lorik Cana: “Er hat sich sehr gut an die albanische Mentalität angepasst, hat das, was gut ist, übernommen und das, was schlecht ist, abgeschafft. Wir haben sehr viel von ihm gelernt.“
Die Stars: Wertvollster Spieler im Kader ist Elseid Hysaj vom SSC Neapel. Der Teamkapitän Lorik Cana spielt beim FC Nantes, war aber schon bei Lazio Rom, Galatasaray Istanbul, dem AFC Sunderland, Olympique Marseille oder PSG in Paris unter Vertrag. “Cana wäre der einzige Albaner, der in meinem Team einen Stammplatz hätte“, gab der Schweizer Nationaltrainer Vladimir Petkovic zu Protokoll. Cana gilt als Kopf und Seele des Teams. “Es ist schwer zu beschreiben, was es mir bedeutet, das Trikot und die Kapitänsbinde meines Landes zu tragen. Es macht mich unglaublich stolz.“
Das Bruderduell: Wenn es am Samstag in Lens gegen die Schweiz geht, könnte es das Duell der Xhaka-Brüder geben, Taulant (Albanien), der Ältere, versus Granit (Schweiz). Der für den FC Basel spielende Taulant Xhaka musste zuletzt allerdings wochenlang wegen eines Muskelfaserrisses pausieren. Papa Ragip, der vor einem Vierteljahrhundert als politischer Flüchtling in die Schweiz kam, will keinen Familienzoff: “Ich hoffe auf ein Unentschieden.“
Die Chancen: Wenn man Trainer De Biasi nach den EM-Aussichten fragt, sagt er: “Wir haben zwar nicht die beste, aber eine gute Maschine am Start.“ In der Qualifikation ließen die Albaner deutlich höher gehandelte Nationen wie Dänemark oder Serbien hinter sich. Der frühere Bundesligaprofi Altin Lala (Hannover 96), der während der EM-Qualifikation auch mal Co-Trainer beim Nationalteam war, sieht es so: “Man will nicht nur dabei sein.“ Es sei möglich, die K.o.-Phase zu erreichen. Die Voraussetzung: “mindestens ein Spiel gewinnen“. Die Stärke der Mannschaft liegt vor allem in der Defensive. Aber auch der Teamgeist ist bemerkenswert. Mergim Mavraj schöpft daraus viel Zuversicht: “Unser Glaube an uns wird uns sehr, sehr weit tragen, das ist meine Überzeugung.