Gewalt in Warschau trübt EM

Warschau (dpa) - Straßenschlachten, rechtsradikale Parolen und fast 200 Festnahmen - der EM-Albtraum ist wahr geworden. Die Gewaltexzesse rund um das brisante Hochsicherheitsspiel zwischen Gastgeber Polen und Russland (1:1) haben einen dunklen Schatten auf das europäische Fußball-Fest geworfen.

Kreml-Chef Wladimir Putin führte am Mittwoch ein Telefongespräch mit dem polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk, um die Hooligan-Gewalt zu erörtern.

Beide Seiten hätten übereingestimmt, dass Hooligans konsequent und ohne Berücksichtigung der Nationalität gesetzlich verfolgt werden müssten, teilte die Warschauer Regierungskanzlei am Abends mit. Dies gelte sowohl für Vorfälle wie in Warschau, als polnische Hooligans russische Fan auf dem Weg zur EM-Begegnung zwischen Polen und Russland angegriffen hatten, als auch für Vorfälle wie in Breslau (Wroclaw). Dort hatten russische Fans am ersten Spieltag einen Stadionordner schwer verletzt.

Bei den gewalttätigen Ausschreitungen am Dienstagabend in der Warschauer Innenstadt und in der Nähe des Nationalstadions wurden 20 Personen verletzt, darunter zehn Polizisten. Selbst die mehr als 6000 Einsatzkräfte konnten die polnisch-russische Konfrontation nicht verhindern. Bis zum Mittwochnachmittag wurden 184 Hooligans festgenommen.

„Das war der schwierigste Tag der EM“, erklärte Polens Innenminister Jacek Cichocki und versprach die ersten Urteile gegen Gewalttäter bereits für Freitag. Cichocki diskutierte über die Straßenkämpfe und den Polizeieinsatz mit Michail Fedotow, dem Menschenrechtsbeauftragten des Kreml. Fedotow habe das Vorgehen der polnischen Sicherheitskräfte als schnell und gründlich gewürdigt, hieß es in einer Ministeriumsmitteilung. An den Überfällen seien polnische Hooligans und nicht polnische Fans Schuld, sagte Fedotow.

„Es gibt keine Rechtfertigung für den Angriff auf Gäste. Als Gastgeber sollten wir uns vor allem für die Sicherheit unserer Besucher verantwortlich fühlen, egal, aus welchem Land sie kommen“, sagte unterdessen Regierungschef Tusk. Die Gewaltexzesse würden mit „eiserner Konsequenz“ geahndet. Auch die Europäische Fußball-Union verurteilte die Krawalle. „Die UEFA missbilligt die vereinzelten Vorfälle, die sich gestern vor und nach dem Spiel zwischen Polen und Russland in Warschau ereignet haben“, teilte der europäische Dachverband mit.

Die Mehrheit der Festgenommenen, etwa 150 Gewalttäter, waren Polen, die teils vermummt, mit Feuerwerkskörpern, Steinen und anderen Wurfgeschossen Jagd auf russische Fans machten. Viele von ihnen waren für brutale Schlägereien vorbereitet und trugen bei der Festnahme beispielsweise einen Mundschutz für ihre Zähne, sagte der Warschauer Polizeisprecher Maciej Karczynski.

„Ich schäme mich für diese Leute“, kommentierte Sportministerin Joanna Mucha die Vorfälle, „das sind gewöhnlich Hooligans. Sie sollen uns nicht dieses Fest verderben.“ Schon Stunden vor dem Spiel hatten mehrere Dutzend Polen im Zentrum Warschaus mit rechtem Liedgut auf sich aufmerksam gemacht. „In der Hauptstadt wurde das Sportfest zusammengeschlagen“, titelte das polnische Boulevardblatt „Fakt“ am Mittwoch. Die russische Zeitung „Sowjetski Sport“ schrieb vom „Krieg auf der Straße und Frieden auf dem Feld.“ Schon der Termin der Partie war sensibel. Die Russen feierten rund um das Spiel ihren Unabhängigkeitstag.

Kleine Hooligangruppen hatten bereits am Dienstagnachmittag gelauert, als ein geschlossener Block von mehreren tausend Russen Richtung Stadion marschierte. Sie versuchten, durch das massive Polizeiaufgebot zu brechen, beschimpften die russischen Fans und versuchten sie zu provozieren. Auch Gruppen russischer Hooligans gelangten durch die Polizeiabsperrungen, um sich mit polnischen Gewalttätern zu prügeln. Nach dem Spiel war die Fanzone Ziel der Angriffe. Dort feierten 100 000 polnische, russische und andere internationale Anhänger friedlich.

Russische Vertreter gaben am Mittwoch den polnischen Fans die Schuld an der Eskalation. Die russischen Anhänger hätten sich auf ihrem Marsch zum Stadion vernünftig benommen, sagte der Chef des Fußballverbandes, Sergej Fursenko, nach Angaben der Internetzeitung „gazeta.ru“. Die kremlnahe Jugendorganisation „Naschi“ verteilte symbolisch Hunderte Rote Karten an die polnische Botschaft in Moskau und erklärte in einer Mitteilung, die Krawalle durch polnische Hooligans und die Unfähigkeit der polnischen Polizei, russische Fans zu schützen, erlaubten Zweifel, dass das EU-Land in der Lage sei, ein Ereignis wie die EM auszurichten.