Italien fiebert Klassiker entgegen
Rom (dpa) - Der erste Espresso des Tages in der Bar um die Ecke oder der Gang zum grünen Zeitungskiosk, der Edicola, das ist in Italien immer noch die beste Möglichkeit, die Weltlage am Morgen kurz zu sortieren.
Je näher das Viertelfinale bei der Fußball-EM kommt, desto mehr steigt auch hier die Vorfreude - und es wird Zeit, einen genaueren Blick auf das deutsch-italienische Verhältnis zu werfen.
Laura Garavini kennt beide Seiten sehr gut. Sie ist Abgeordnete in der italienischen Camera dei Deputati, dem Parlament. Im Palazzo Montecitorio von Rom sitzt sie für die Partei von Regierungschef Matteo Renzi (PD). Garavini ist Vorsitzende der deutsch-italienischen Parlamentariergruppe.
„Das Verhältnis zwischen Italien und Deutschland hat sich mit den Jahren sehr verbessert. Es ist heute von viel Sympathie, Offenheit und Neugier geprägt“, sagt sie im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur in Rom. „Aber es gibt gerade bei der älteren Generation beider Länder noch sehr viel Ignoranz und Vorurteile.“
Was mögen die Italiener denn an Deutschland? „Es wird als eine "forza tranquilla", eine ruhige Kraft, gesehen“, erzählt die Abgeordnete. „Das Land schafft es, für ruhige Verhältnisse zu sorgen und einen hohen Lebensstandard zu sichern.“ Italien gelinge das erst seit kurzer Zeit, mit dem Anfang der Reformanstrengungen.
Nun aber zum Fußball: Da gelten andere Gesetze und das weiß auch Laura Garavini. „Dass Deutschland noch nie bei einem großen Turnier gegen Italien gewonnen hat, spielt natürlich eine wichtige Rolle“, sagt sie. Und dass sie einen Nerv getroffen hat, zeigt schon ein Blick in die einschlägigen Sport-Tageszeitungen, von denen es an Italiens Kiosken gleich mehrere gibt.
Schon Tage vor dem Anpfiff des Klassikers kauen die Blätter auf dem Thema rum. „Tuttosport“ nimmt das sogar ziemlich wörtlich. „Wir essen sie“, schreibt das Fachblatt über einer riesigen Eigenanzeige, darunter zu sehen: links ein Bier, in der Mitte eine Brezen, rechts ein Teller mit Wurst und Kraut und eine Serviette in Italiens Nationalfarben. Die Botschaft ist klar: Bildet euch ja nicht ein, dass sich an der ehernen Regel - Deutschland gewinnt nicht gegen Italien bei einem großen Turnier - etwas ändern wird.
Und so geht das weiter: Generell ist die Stimmung von großem Respekt geprägt. Die Kompetenz von Bundestrainer Joachim Löw wird gelobt, die Entwicklung der deutschen Weltmeister-Elf geachtet, doch die eine oder andere Frotzelei, gern auch ins Politische kann man sich nicht verkneifen.
Ortswechsel: Taverna Franz, bayerische Bierkneipe, mitten in Rom. Hier im noblen Stadtteil Prati gibt es natürlich viele Touristen. Denn der Vatikan und die Engelsburg liegen gleich um die Ecke. Und doch sind in der Gaststätte, wo die Partie am Samstag auch übertragen wird, am Abend auch erstaunlich viele italienische Wortfetzen zu hören.
„Eine Prognose? Da Deutschland so lange Italien nicht geschlagen hat, gewinnt jetzt Deutschland“, lässt sich ein italienischer Gast, der mit seiner Partnerin hier zu Abend gegessen hat, entlocken. „Außerdem kommt Trainer Antonio Conte von Juventus Turin und ich bin Fan von Inter Mailand.“ Fußball ist auch in Italien keine einfache Angelegenheit - gerade auch, wenn es um Rivalitäten geht.
Deutschland lobt das Paar in höchsten Tönen. Dort werde sehr viel gearbeitet, die Städte seien sauber. Aber hat die Eurokrise mit all ihren Folgen auch Spuren im deutsch-italienischen Verhältnis hinterlassen? Richtig tiefe nicht: „Es ist vielleicht etwas ausgebremst worden“, finden die beiden und freuen sich auf eine spannende Partie. Für Italien spricht aus ihrer Sicht, dass die Squadra Azzurra endlich „eine Mannschaft“ sei.
Wird es am Samstag voll in der Taverna? Chef Franz, der in Wirklichkeit Francesco heißt und aus Rom kommt, erwartet eine „partitaccia“, ein ziemlich umkämpftes, nicht unbedingt attraktives Duell. In seiner Kneipe erwartet er auch einige deutsche Fans. Mit ihnen hat er ganz gute Erfahrungen. „Hier in der Ecke haben wir unsere Klientel, aber wenn Deutsche da sind, machen sie immer eine ziemliche Stimmung, singen und feiern“, erzählt er und betont, dass Public Viewing in riesigen Gruppen wie in Deutschland hier eher unüblich sei.
Wer nun am Ende gewinnt, könnte am Ende vielleicht auch ein wenig von Matteo Renzi abhängen. Am Ende seines jüngsten Newsletters weist der Regierungschef darauf hin, dass Italien bei dieser EM immer just dann gewonnen habe, wenn er sich gerade mit anderen Staatslenkern getroffen habe. Die eigentliche Frage sei, wie ein solches Treffen am Samstag gegen 21 Uhr noch klappen könnte. Angela Merkel habe aber schon signalisiert, dass sie dazu eher keine Lust habe, witzelte Renzi. Und worauf tippt seine Parteifreundin Laura Garavini? „Ich glaube, Italien gewinnt 6:5 im Elfmeterschießen.“