Keine Maskottchen: Abschiedstour für „Poldi“ und „Schweini“

Lille (dpa) - Lukas Podolski genoss die vielen Umarmungen, posierte für massenweise Fotos und bekam beim Jubel in der deutschen Fankurve sogar einen Kuss auf den Hinterkopf verpasst.

Ein bisschen wirkte es nach dem Einzug in das EM-Viertelfinale, als wolle sich der Publikumsliebling im Fahnenmeer von jedem Anhänger einzeln verabschieden. Die Turniertage des bei Joachim Löw gesetzten Offensivspielers sind langsam aber sicher gezählt. Und auch beim wieder nur eingewechselten Kapitän Bastian Schweinsteiger war in Lille mehr als nur ein Hauch von EM-Abschied zu spüren.

Als „Poldi“ und „Schweini“ begeisterten die zwei Weltmeister eine Fußball-Generation seit 2004. Der Kölner und der Bayer bildeten als Youngster die Spaßfraktion im DFB-Team. Als nun 31-Jährige müssen sie sich bei ihrem siebten Turnier damit begnügen, in Teilzeitrollen ihren Beitrag auf dem eingeschlagenen Weg zum EM-Titel zu leisten.

„Ich bin schon sehr froh, so wie es gelaufen ist. Ich hoffe, dass wir das als Mannschaft jetzt endlich gegen einen großen Gegner beweisen können“, erklärte Schweinsteiger nach dem 3:0 gegen die Slowakei. „Wir haben noch nichts erreicht. Wir wollen Europameister werden. Wir sind jetzt im Viertelfinale und nicht mehr“, bemerkte Podolski.

Löw schenkte seinem langjährigen Leistungsträger Podolski, als das Spiel entschieden war, noch einmal einen Auftritt auf der großen Bühne - vielleicht den letzten dieser Art. Der Profi mit eingebauter Gute-Laune-Garantie ist in Frankreich nun mehr als ein EM-Maskottchen mit flotten Sprüchen. 129 Länderspiele und 48 Tore stehen in der stolzen DFB-Statistik, viel mehr Spiele und Treffer werden beim Stürmer von Galatasaray Istanbul nicht mehr dazukommen.

Anders sieht die Turniersituation bei Schweinsteiger aus, bei dem sein langjährigen Wegbegleiter Oliver Kahn als ZDF-Experte im Stadion ein „Ich-will-spielen-Gesicht“ erkannt haben wollte. Nach zwei Knieverletzungen im EM-Jahr ist der 118-malige Auswahlspieler Schweinsteiger glücklich, dass er bei der Endrunde überhaupt auf dem Platz stehen kann. „Ich habe viele Wochen nicht gespielt. Für mich ging es in erster Linie darum, hier dabei zu sein und gesund zu sein“, sagte der Profi von Manchester United und erinnerte: „Ein Tor ist mir auch schon gelungen.“

Drei Kurzeinsätze stehen in Schweinsteigers aktueller Turnierbilanz. Man traut dem blutverschmierten Helden aus dem WM-Finale von 2014 aber noch einen großen EM-Moment in Frankreich zu. Allerdings muss sich Schweinsteiger von der Hoffnung auf einen Einsatz von Anfang an allmählich lösen. Löw hat sein Mittelfeld um die in der Zentrale starken Toni Kroos und Sami Khedira gefunden.

„Gewissenskonflikte“ hab er „auf keinen Fall“, sagte Löw mit Blick auf die Aufstellungsfrage um Schweinsteiger. „Es war klar, dass er am Anfang des Turniers nicht bereit ist für 90 Minuten. Er wird immer besser. Er hat seit Wochen einen guten Rhythmus - im Training.“

Aber auch als Joker könnte Schweinsteiger mit seiner Erfahrung und vor allem der Fähigkeit, ein Spiel zu lesen, noch eine kurz prägende Turnierrolle einnehmen. „Ich fühle mich gut, aber es ist schwierig. Ich habe jetzt zweimal 20 Minuten und einmal zwei Minuten gespielt. Es ist nicht so, dass ich mal eine Halbzeit gespielt habe“, sagte Schweinsteiger. Noch wirbt er vorsichtig um mehr. „Vom Rhythmus her ist es vielleicht nicht ganz ideal. Aber ich würde mir schon zutrauen, von Anfang an zu spielen. Aber das entscheidet der Trainer.“