Kraft aus Zoff: Frankreich vor „Moment der Wahrheit“
Donezk (dpa) - Mit Streit zur Sensation! Frankreichs Zoff-Ensemble setzt auf die heilsame Kraft des Kabinengewitters, um die Regentschaft von Europas Fußballkönigen aus Spanien zu beenden.
„Das deutet daraufhin, dass es Reaktionen gibt, Aktion und auch ein wenig Spannung“, sagte Nationaltrainer Laurent Blanc vor dem Viertelfinalduell mit dem Titelverteidiger am Samstag über die internen Zwistigkeiten. „Das ist gut, weil wir das auch gegen Spanien brauchen.“
Inzwischen sei der Disput endgültig beigelegt, berichtete ein gelöst wirkender Blanc knapp 27 Stunden vor dem Spiel und versuchte die Vorfälle herunterzuspielen: „Es gibt keinen Konflikt.“ Nach dem vorigen Ende des französischen EM-Friedens durch die Reibereien nach der 0:2-Vorrundenniederlage gegen Schweden soll mit harten Methoden auch die Harmonie im Offensivwirbel des Gegners empfindlich gestört werden. „Gegen Spanien wird es ein Krieg auf dem Platz und wir müssen diesen Krieg gewinnen“, meinte Karim Benzema pathetisch.
Es sei in der aktuellen Situation sogar gut, dass das schier übermächtige Spanien in Donezk als nächster Gegner warte, betonte Franck Ribéry: „Was kann besser sein, als einen Favoriten auszuschalten?“
Und der zweimalige Europameister kennt die spanischen Schwachpunkte nur zu gut. Noch nie hat Frankreich das Nachbarschaftsduell bei einer Europa- oder Weltmeisterschaft verloren. Zuletzt setzte sich das Team angeführt von Ausnahmekönner Zinedine Zidane im Achtelfinale der WM 2006 mit 3:1 durch. „Wir alle wissen, dass Spanien der Favorit ist - nicht nur in dieser Partie, auch für den Titel“, meinte die französische Fußball-Legende allerdings in einem Interview mit dem spanischen Radiosender Cope.
Dass die Équipe Tricolore nur als krasser Außenseiter gilt, hat sie sich durch das Auftreten auf und neben dem Platz beim letzten Gruppenspiel selbst zuzuschreiben. „Risse im blauen Haus“ schrieb „Le Monde“, nachdem sich Hatem Ben Arfa lautstark über seine Auswechslung beschwert hatte und mit Trainer Laurent Blanc aneinandergeraten war.
Zwar haben die beiden sich inzwischen wieder die Hand gereicht. Doch auch der Krach von Samir Nasri und Alou Diarra offenbarte die bröckelnde Harmonie. „Laurent Blanc steht vor einem Moment der Wahrheit. Er muss wieder Ordnung im Haus schaffen“, forderte Ex-Bayernprofi Bixente Lizarazu in der „L'Équipe“.
„Die Leute waren sehr sauer. Ich habe versucht, die Dinge so schnell wie möglich zu beruhigen“, erinnerte der Trainer die Vorfälle. „Es dauerte einige Zeit, bestimmte Sachen wurden gesagt. Aber das Leben geht weiter.“ Kapitän Hugo Lloris berichtete, dass er versucht habe, dem Streit eine konstruktive Richtung zu geben. „Jeder kann in der Kabine sagen, was er will“, betonte er.
Französische Medien wie RMC Sport berichteten allerdings, dass durch das Team ein Riss zwischen einer Gruppe um Torhüter Lloris und „reichen“ Stars wie Ribéry oder Benzema gehe. Der Stürmer hatte sich zuletzt bereits öffentlich über mangelnde Unterstützung aus dem Mittelfeld beschwert: „Torchancen entstehen nur, wenn ich Pässe bekomme.“
Der von den Spaniern gefürchtete Real-Star will endlich seine Misere bei der EURO beenden. 17-mal schoss er laut Opta-Statistik in der Vorrunde Richtung Tor, kein Versuch fand sein Ziel. „Benzema - wir glauben dran!“, titelte die „L'Équipe“ dennoch neben einem Bild des verzweifelten Angreifers.
Und auch sonst ist die Zuversicht trotz aller Querelen noch nicht gänzlich passé. Die ganzseitige Anzeige eines Sportwettenanbieters in der Gratiszeitung „Direct Matin“ zeigt, wie ein gallischer Hahn das rote Tuch der Toreros zerpflückt. „Die Spanier sind stark, aber sie sind nicht unschlagbar“, meinte Benzema, „wir können eine Überraschung schaffen.“