Vorsicht Hitzköpfe: Rooney gegen Balotelli
Krakau (dpa) - Bloß nicht ausflippen! Das Duell der „Bad Boys“ sorgt im EM-Viertelfinal-Knaller England gegen Italien für zusätzlichen Zünds2toff.
Wayne Rooney, exzentrischer Stürmerstar von Manchester United, soll die „Three Lions“ erstmals seit der Heim-EM 1996 wieder ins Halbfinale eines großen Turniers führen - Italiens wilder Angreifer Mario Balotelli ist selbst seinen Team-Kollegen ein Rätsel. Mal genial, mal banal, mal „Mad Mario“, mal „Super Mario“, aber immer unberechenbar. „Mario, reiß' dich zusammen“, ermahnte Italiens Kapitän Gianluigi Buffon den launischen Youngster vom englischen Meister Manchester City vor dem Klassiker am Sonntag in Kiew.
Balotelli polarisiert auch in der Heimat. Oft genug hat er mit seinen Ausrastern sein schlechtes Image bedient. Wie beim 2:0 gegen Irland im letzten Vorrundenspiel, als der 21-Jährige nach seinem Traumtor zum Endstand in Richtung Trainerbank pöbelte. „Mario ist als Stürmer kraftvoll und unberechenbar. Nur leider macht er ab und an eben Dummheiten“, sagte Verteidiger Leonardo Bonucci. Azzurri-Coach Cesare Prandelli setzt trotzdem auf die bisweilen brillanten Momente seines umstrittenen Angreifers.
„Tief in seinem Herzen ist Mario ein Goldjunge“, meinte Prandelli gutmütig. Bei seinem Vorgänger Marcello Lippi hatte Balotelli keine Chance. Dass der Hochbegabte leicht reizbar ist, wissen auch Rooney und Co. aus zahlreichen Partien in der Premier League. „Es gibt zwei Marios“, erzählte Balotellis Clubkamerad bei ManCity, James Milner.
Zu sehr wollten sich die Engländer nicht locken lassen. Keeper Joe Hart bekräftigte zumindest offiziell: „Niemand von uns wird ihn bewusst in Rage bringen.“ Genau das fürchten die Italiener. An einen Balotelli-Ausraster kann sich Tottenhams Scott Parker, bei der EM verlässlicher Mittelfeld-Abräumer, noch genau erinnern. Im Januar hatte ihm der Italiener in der Liga ins Gesicht getreten und wurde für vier Spiele gesperrt.
Rooney weiß aus eigener Erfahrung, was Balotelli durchmacht. Der Sohn eines ehemaligen Preisboxers hatte selbst jahrelang einen Hang zur Selbstinszenierung und mit Skandalen seinen lange Zeit üblen Ruf gefestigt. Er sei reifer und ruhiger geworden, behauptet „Roo“ bei jeder Gelegenheit, so als müsse er sich selbst vom Wahrheitsgehalt seiner Aussage überzeugen. Als verheirateter Mann und Familienvater ist er sich zumindest seiner gestiegenen Verantwortung bewusst.
„Ich habe meinen Preis bezahlt und habe kein Problem mehr mit meinem Temperament“, erklärte Rooney bei der EURO und hielt zumindest bei seinem Turnierdebüt im letzten Vorrundenspiel gegen die Ukraine Wort. Davor war er aber zwei Spiele gesperrt, weil er sich im letzten EM-Qualifikationsspiel eine dämliche Tätlichkeit geleistet hatte.
„Wir sind hier, um die EURO zu gewinnen“, tönte Rooney jetzt vor der Abreise aus dem verregneten Krakau in die ukrainische Hauptstadt. „Mit seinem Charisma kann er ein Team mitreißen. Er weiß, wie man gewinnt“, warnte Italiens Keeper Buffon am Freitag im Casa Azzurri.
England hat mal wieder die Titel-Sehnsucht gepackt - wie so oft in den vergangenen 46 Jahren. Die Ansage überrascht. Vor dem Turnier als krasser Außenseiter gehandelt, glauben die Engländer nach ihrem überraschenden Gruppensieg noch vor Frankreich inzwischen an sich. „Wir sind so gut organisiert wie nie zuvor. Jeder kämpft für den anderen, wir haben eine wirklich große Chance“, sagte Rooney. Selbst vor dem viermaligen Weltmeister Italien zittern die Engländer nicht mehr. Und Balotelli? „Wir haben Rooney“, schrieb der „Telegraph“.
Die Engländer vertrauen auf Rooney, der bereits sein viertes großes Turnier spielt. „Wayne ist Weltklasse“, lobte Coach Roy Hodgson. „Wayne ist ein fantastischer Spieler und Mario ist auch ein außergewöhnlicher Fußballer. Jeder freut sich darauf, beide am Sonntag spielen zu sehen“, sagte Hart diplomatisch.
Auf jeden Fall sind beide Teams siegessicher. „Wir sind stärker als England“, meinte Bonucci. Buffon relativierte am Freitag in Krakau: „Die Chancen stehen 50:50“. Seit 35 Jahren hat Italien kein Pflichtspiel mehr gegen England verloren. Zudem wirken die ungeschlagenen Azzurri seit dem 2:0 gegen Irland wie befreit.
Auch England hat bereits mehr erreicht, als viele Experten und Fans auf der Insel erwartet haben. „Wir sind hier, um Spiele zu gewinnen. Das Viertelfinale soll für uns noch nicht alles gewesen sein“, versprach auch Hart. Schließlich ist Englands Coach Hodgson Italien-Kenner. Von 1995 bis 1997 hatte er Inter Mailand trainiert. Vor dem Schlager gegen die Italiener erinnerte Hodgson seine Profis noch einmal daran, doch bitteschön lautstark die Nationalhymne mitzusingen. Der englische Optimismus gibt wieder den Ton an.